Vom Paradies

Wo alles herkommt – da muss eine wunderbare Quelle sein! Wo alles hingeht – unsere Intuition ahnt es schon. Es ist ein Ort der Sehnsucht, wo das Leben sich erfüllt – ein Ort, wo wir im Frieden zusammen leben.

Die Bibel nennt diesen Ort Paradies. Es war am Anfang vor aller Zeit. Und er steht am Ende, nach aller Zeit, wie ein Garten. Unser Leben aber spielt sich dazwischen ab. Wir haben den Frieden noch nicht, nach dem wir uns sehnen. Und von der Harmonie des Ursprungs sind wir abgeschnitten. Wir leben in einer unvollkommenen Welt mit begrenzten Kräften.

Daran denke ich, wenn ich die Gottesdienste im September überblicke: Erntedank, Schöpfungszeit, Dank-, Buss- und Bettag. Sie handeln von dem, was uns geschenkt ist. Sie erinnern an das, was gestört ist, beim Klima, in Wasser, Luft und Boden, in der Tier- und Menschenwelt.

Woher die Kraft für all die Herausforderungen? Wir sind ja nicht im Paradies, wo alle Quellen zur Verfügung stehen. Nicht am Ziel, wo Gott alles in Harmonie zusammenfügt. Und doch ist uns der Weg dahin nicht verschlossen. Das zu entdecken, ist etwas vom schönsten und friedvollsten im Leben. Es gibt diesen Weg in den Garten!

Da ist eine Tür, wir können sie auftun und hindurchgehen und uns vor Gott stellen. Das ist der Glaube. Das ist das Gebet. Wir können alles vor ihn bringen, und auch uns selbst. Wir können uns anschauen, wie mit seinen Augen: voller Liebe und Akzeptanz. Wir können unsere Situation wahrnehmen wie von aussen: im Wissen, dass da ein Gott ist, der uns nicht allein lässt, sondern begleitet und ans Ziel bringt.

So können wir zur Ruhe kommen, Frieden finden und immer wieder Kraft schöpfen für unsern Weg. Einen Weg der Verantwortung in einer Welt, die zwar kein Paradies mehr ist – und doch kann man es ihr immer wieder ansehen: in den Schönheiten der Natur. In der Welt, die noch nicht am Ziel ist – und doch können wir es immer wieder erleben: wenn Menschen in Frieden zusammen sind, wenn sich Missverständnisse klären, Konflikte lösen. Wir ahnen es im Lächeln des Gegenübers und im Vertrauen, das ein Kind uns schenkt.

So wissen wir, wem wir Danke sagen können beim Erntedank und beim Dank-, Buss- und Bettag. So finden wir Mut und Kraft, um den Weg zu gehen in den Herausforderungen der «Schöpfungszeit», wenn es gilt, Sorge zu tragen zu Boden, Wasser, Luft und Leben.

 

Aus Notizen 2013