Tag Archive for: Körper-Spiritualität

Nach Ostern erleben wir oft einen Rückfall. Die Hochstimmung geht verloren. Wir fühlen uns zurückgestossen, als ob es kein Ostern gegeben hätte. Es braucht nur einen Auslöser, eine bestimmte Begegnung, und es weckt alte Erinnerungen wieder auf an vergangene Zeiten. Weiterlesen

Um Würde geht es in diesem Text, um Scham und wie man nach einer Verletzung wieder Oberhand gewinnt. Die Formel von der Würde taucht auf und vom Vertrauen, die im Abendmahl gesprochen wird. Mir ist sie auch als Gebet wichtig. So altmodisch sie klingt, sie hat Kraft, sie begleitet auf dem Weg zur Würde, auch wenn sie vom Gegenteil ausgeht. «Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach, aber sprich nur ein Wort…» Weiterlesen

Aufbruch

Mach dich auf den Weg.
Such deine Ängste auf, dass sie dir nicht weiter in den Rücken fallen.
Schau dem ins Gesicht, was dir im Nacken sitzt. Und mach dich gefasst: Auch das Allerschlimmste, was du dir gar nicht vorstellen kannst, das „Loch“, das alles verschlingt, wo das Denken aufhört und die Panik anfängt – es sieht bei jedem anders aus – auch das wird dir begegnen.

Aber dort im Grenzgebiet, wo du die Kontrolle aufgibst, dort am Fluss, wo du spürst, dass du nur auf die andere Seite kommst, wenn du dich anvertraust, dort wird dir das begegnen, was du brauchst.

Und diese Zuversicht kannst du wie einen Segen mitnehmen, wenn du dich auf diesen Weg machst: „Ich finde, was ich brauche.“

Trauma und Passion

Trauma – das ist heute ein Grossthema. Die „posttraumatische Belastungsstörung“ PTBS beschreibt, was manche Menschen erleben, die eine angstbesetzte Verletzung erlitten haben. Ausgehend von der therapeutischen Arbeit mit Vietnamkriegs-Veteranen wurde das Konzept später auf andere psychische Schädigungen ausgeweitet. In den Medien gibt es heute einen wahren Boom von Trauma-Berichten und entsprechenden Hilfsangeboten. Zu einem Grossthema wurde das Trauma aber auch, weil die Zahl der Konflikte in der Welt zugenommen hat und weil der Ausblick mit den Spannungen zwischen den Machtblöcken und der Klimakrise nicht friedvoller erscheint.

Wer sich mit der Bibel beschäftigt und mit dem frühen Christentum, der wird Elemente des traumatischen Erlebens auch dort finden. Auch in der Antike gab es Krieg und Gewalt. „Passion“ ist zu einem Begriff der Spiritualität geworden. Der Gewalt-Charakter der damaligen Ereignisse ist fast vergessen worden. Wer aber die „Passion“ intensiv meditiert, stösst auf solche Zusammenhänge.

Ich habe als Pfarrer viele Jahre lang Karwochen-Andachten gehalten. Eine Gruppe von Menschen meditiert eine Woche lang die biblischen Ereignisse und verschränkt sie mit den eigenen biographischen Erlebnissen.

Über all die Jahre ist es mir plausibel geworden, dass „Trauma“ nicht nur eine Kategorie ist, um heutige psychische Abläufe zu verstehen, sondern auch, um Teile der Bibel besser zu verstehen.

Auch die Menschen der „Jesus-Bewegung“ haben eine grosse Verletzung erfahren. Auch die Früh-Kirche ist geprägt von Gewalt und Verfolgung. Auch sie kann verstanden werden als eine Gemeinschaft, die sich um ein Trauma schart, wo all die Prozesse ablaufen, die aus solchen Gemeinschaften bekannt sind: reaktiver Rückzug, Angst und Angstabwehr, ein Hinausgestossen-Werden aus einer Rationalität des Alltags in einen Zustand, in dem archetypische Bilder und atavistische Verhaltensweisen wiederbelebt werden, wie Totstellen, Atem anhalten, sich klein und unsichtbar machen (wollen)…

Ein kollektives Trauma, das Identität stiftet

Bei diesem Verständnis helfen mir historische Parallelen:

Marie-Janine Calic berichtet (in der NZZ vom 10. August 2018) über die Situation auf dem Balkan. „Überall in der Region wird Religion vermehrt als Identitätsmarker und Ausschlusskriterium benutzt. Srebrenica – der erste völkerrechtlich anerkannte Genozid auf europäischem Boden nach 1945 – wird als kollektives Trauma einer ganzen Nation verhandelt, das Identität stiftet. Dabei spielt nur noch eine ungeordnete Rolle, was dort genau stattgefunden hat und warum. Entscheidend ist, dass dieses Ereignis als Ursprungserzählung der bosnischen Nation erzählt und erinnert wird, und diese wird exklusiv als muslimisch definiert.“

Das ist interessant für die Bedeutung des Traumas und des „Trauma-Managements“ in der frühen Kirche. Es ist eine Analogie – so wie all die traumatischen Erfahrungen es sind, die es auch heute gibt, unabhängig von der grossen Geschichte.

Sie erzeugen eine Gleichgestimmtheit von Erlebnissen und Erfahrungen. Wer diesen Weg geht, kennt die „oberen“ und „unteren“ Wege, die Bilder der Psyche, die Trampelpfade des Überlebens. Er versteht die mythologischen Bilder samt Höllen- und Himmelfahrt, in denen die frühe Kirche spricht. Er versteht die Werte, die auf den Kopf gestellt sind (die Letzten werden die Ersten sein). Er versteht die Freude am Allerkleinsten, in dem sich das Allergrösste spiegelt. Er versteht das Wunder, das sich in der Stille ereignet, weil das Menschliche sich hier ausgetobt hat wie in den Gewaltorgien von Srebrenica. Und auf den Gräbern ist etwas anderes spürbar, was nicht von Menschen kommt.

Eine Sprache für Passion und Ostern

In Kreuzigung und Verfolgung ist die „Jesus-Gemeinde“ durch ein gemeinsames Trauma hindurchgegangen. Das bindet sie zusammen wie auch alle, die später so etwas erleben. Das gibt ihnen eine Sprache, die jeder versteht, der so etwas erlebt hat, und die niemand versteht, der es nicht erlebte.

Das Trauma ist eine gemeinsame Grundlage für das Verstehen und für das Zusammengehörigkeits-Gefühl über den Tod hinaus. Das Kreuz sei das Symbol der Urkirche, wurde gesagt. An diesem Zeichen erkannten sich die Zugehörigen und sie wurden von Aussenstehenden erkannt. Nicht weil es zwei Striche sind, die ein Kreuz bilden, sondern weil es eine Welt von Bedeutungen und Gefühlen ist, eine Erfahrung von Demütigung und Sterben, ein Gewahrwerden der innersten Gewissheiten, ein Aufblitzen von Freude. Ein Wiederfinden von Schönheit und Wahrheit. Ein neues Leben und eine neue Welt.

Der „innere Altar“

Aufschlussreich ist auch der Roman „Vier Bücher“ von Yan Lianke. Er schildert die grosse Hungersnot 1958 – 62 bei dem „grossen Sprung nach vorn“, den Mao Tse Tung damals befohlen hat, um den Westen in der Entwicklung einzuholen.

„Yan Lianke hat als Realist begonnen, vom Realismus hat er sich längst abgewandt. Damit kommt man der chinesischen Realität nicht bei, meint er. Deshalb wird sie in seinem neuen Roman fragmentiert und zerlegt.“ So heisst es in einer Besprechung des „Tages-Anzeigers“ vom 6. Januar 2018.

Hier zeigt sich der Wandel der Erlebnis- und Erzählweise bei der Verdichtung des Leidens, bis „magische“ und mythologische Bilder auftauchen, die allein imstande sind, die Intensität der Gefühle aufzunehmen (Wüste, Wasser, Höllenfahrt…) und den Betroffenen durch diese Erfahrungen zu geleiten.

Interessant ist auch der Punkt, wo der Autor daran ist, alles zu verraten, was ihm lieb und teuer ist. Die Entwertung, die er erlebt hat, infiziert alles. So lässt er sich selbst im Stich, kollaboriert mit dem Feind – bis er fast sich selbst verliert.

Die einzige Rettung ist, einen „inneren Altar“ zu errichten, einen Ort, der von aussen nicht zu finden und zu zerstören ist, wo er seine Wertschätzung pflegen kann, wo er an dem festhalten kann, was ihm wichtig ist und was den Sinn seines Lebens ausmacht. Und das zu retten heisst in diesem Fall, sich selbst zu retten.

So trägt er sich mit dem Plan zu einem „andern Buch“, das er zunächst nur für sich schreiben will. Das einzige worauf es ankommt: dass es „wahr“ sein soll, dass er dort sagen kann, was er denkt und fühlt und was ihm heilig ist.

Kindheits-Erlebnisse

Der Tod schickt seine Boten weit voraus. Schon in der frühsten Kindheit, schon bei der Geburt wird das Leben bedroht. Schon in der Wiege tauchen Verletzungen auf, die ein Leben prägen und für seine ganze Dauer begleiten können. Zu Leben und Tod gehört auch das „Trauma“.

Das ist eine Form von Verletzung, die auch schon die Heilung mobilisiert. Es ist ähnlich wie bei einer körperlichen Verletzung, wenn die weissen Blutkörperchen eine Infektion bekämpfen, wenn die Blutplättchen das Blut gerinnen lassen, damit die Wunde sich schliesst. So hat auch das Erleben seine Selbstheilungskräfte. So hat auch die Psyche ihre Wunden, zu denen ein ganzes Set von Reaktionen gehört. Diese sind offenbar gattungsgeschichtlich erworben und weitergegeben.

Im Erleben eines Menschen tauchen sie auf. Sie prägen die Wahrnehmung mit Bildern, sie lenken die Reaktion mit Abwehr-Mechanismen. Sie führen auf einen Weg des Wahrnehmens, Fühlens, Handelns, lang bevor Denken und bewusstes Tun einsetzen.

Und das erwachsen werdende Kind, wenn es sein Leben in die Hand nehmen will, stösst auf eine ganze Batterie von eingewachsenen Reaktionsweisen, die zugleich Wahrnehmung und Verhalten prägen. Das Terrain, das es mit seinem Handlungsbewusstsein einnehmen will, ist schon lange besetzt. Und dort finden sich Bilder, die es aus der Kindheit kennt, die sich ihm schon vorbewusst eingeprägt haben.

In Märchen hat man ihm davon erzählt. Und wenn es diesen nachgehen sollte, findet es die Motive schon in alten Mythen und Religionen. Doch hier verschwimmt alles im Geräusch des Uralten, mit dem heute esoterische Geschäfte gemacht werden.

Ein Suchweg beginnt

Wer seinem Leben folgt, findet es in sich selbst. Er macht, ohne dass er das wollte oder einmal für sich beschlossen hätte, einen Suchweg. Er geht durch Tunnels, kommt auf Plätze, wandert durch dunkle Wälder, findet auf eine Lichtung. Er schifft sich ein, gerät in Seenot, fällt über Bord. Das Wasser geht im bis zum Hals, es geht ihm über den Kopf. Er verliert den Boden unter den Füssen und geht unter.

Er tritt eine Reise an ihm Dunkeln. Hier werden Bilder hell, die in der normalen Welt nicht zu sehen sind. Sie leben in einem besonderen Gedächtnis. Jetzt ist ihre Zeit gekommen. Sie zeigen ihm Gestalten, führen ihn einen Weg.

Und plötzlich ist er wieder hinausgeworfen in eine helle Welt. Als ob er neu geboren wäre. Und er nimmt sein Leben wieder auf. Aber jetzt gelingt es ihm besser. Er kann brauchen, was er im Dunkeln erlebte. Es ist nützlich, was er lernte auf diesem Umweg, den er nie freiwillig auf sich genommen hätte, der ihm wie das Unsinnigste erschienen wäre, womit man sein Leben zubringen kann.

Sieh da, der Mensch!

Aus einer Karwochen-Meditation

Wenn Sie die Ereignisse der Karwoche in der Bibel verfolgen, so ist alles dicht gedrängt. Ein ungeheuer dramatisches Geschehen rollt da vor unseren Augen ab. In der Mitte steht der Satz: Sieh da, der Mensch! So sagt Pilatus, als er Christus dem Volk präsentiert.

Sieh da, der Mensch! – Es ist tatsächlich nichts weniger als eine Auslegung davon, was der Mensch ist, was sein Leben ausmacht, sein Verhängnis aber auch seine Rettung.

 

Die grossen Fragen
Hier werden die grossen Fragen des Lebens gestellt und beantwortet: Wer sind wir Menschen, die so viel Gutes und Schönes erreichen können, aber auch so viel Schlechtes? – Wir möchten so viel erreichen im Leben – was wird, wenn unsere Lebens-Pläne durchkreuzt werden? – Was ist der Sinn? – Gibt es Gerechtigkeit? – Ist das Recht immer mit den Siegern? – Was geschieht mit denen, die auf der Strecke bleiben? – Ist die Geschichte nur eine endlose Spur der Gewalt? – Worauf können wir hoffen?

Die grossen Fragen werden gestellt – aber nicht wie in einem philosophischen Buch beantwortet. Hier wird eine Geschichte erzählt. Die Geschichte von Jesus Christus. Und wer sich einlässt auf diese Geschichte und auf seine eigene Geschichte, der findet für sich Antwort. –

In einem Psalm heisst es:
„Aus der Bedrängnis rief ich den Herrn an, und der Herr hat mich erhört und befreit. Der Herr ist für mich, ich fürchte mich nicht, was sollten mir die Menschen tun? Ich danke Dir, dass du mich erhört hast und mir zum Retter geworden bist.“ (Ps 118)

 

Wenn das Leben stillsteht
Was kann die Passion uns sagen? – Auch heute gibt es Passionen. Im Krieg, aber auch mitten im Frieden geschieht es, dass Menschen verletzt werden. Geht diese Verletzung tief, sprechen Psychologen von einem Trauma. Das ist eine Erfahrung, die sich dem Menschen regelrecht einbrennt.

Das Leben scheint stehen zu bleiben bei diesem Augenblick. Und es braucht im späteren Leben nur eine Erinnerung, so ist es wieder da: dieses Gefühl von Erstarrung, Ohnmacht und Lähmung. Und die Reaktion, die damals gelernt wurde, spult sich wieder ab. Die Menschen fühlen sich gefangen in einem ewig gleichen Ablauf.

Die Passionsgeschichte ist die Geschichte eines Menschen, einer Gemeinschaft, die durch ein solches Trauma hindurch gegangen ist – und die Heilung erfahren hat.

In der Kirche wird diese Geschichte immer wieder erzählt. Und immer wieder haben es Menschen als hilfreich empfunden, den Weg durch diese Geschichten mitzugehen. Wer sich darauf einlässt, wer sich aufmacht und Christus auf seiner Passion begleitet, der erlebt etwas. Sein eigener Weg kann sich klären auf diesem Weg.

Indem er die Not Christi betrachtet, findet er Ausdruck auch für die eigene Not. Er kann hinsehen, was geschehen ist. Er sieht ein Licht, dem er folgen kann. Er findet einen Weg, der zu einem neuen Leben führte. Darum erzählen Christen immer wieder die Passions-Geschichte, nicht weil sie Freude am Leiden hätten, sondern weil es im tiefsten Grund eine Heilungsgeschichte ist.

 

Die starken Gefühle
Man könnte die Passion auch beschreiben anhand der Gefühle, die in ihr auftreten.

Gefühle gibt es viele in der Passionsgeschichte: Da sind Enttäuschung, Angst, Bitterkeit, Empörung, Beschämung, Wut, Ohnmacht. – Nicht nur Jesus Christus ist betroffen, viele Menschen stehen an seinem Weg. Da sind Freunde und Gegner, und da ist Neid und Missgunst – aber auch verletzter Stolz und der Wunsch, es jemandem heimzuzahlen.

Es sind starke Gefühle, die da angesprochen werden. Sie gehören zum Leben, wie die schönen Gefühle. Aber von ihnen spricht man selten. Wenn wir so etwas empfinden, dann verstecken wir es. Wir lassen sie nicht zu. Und wenn uns doch etwas trifft von diesen Gefühlen, dann kann es uns aus der Bahn werfen. Angst oder Ohnmacht – wir „kauen“ oft tagelang darauf herum.

Gefühle wie verletzter Stolz oder Vorwürfe – das können wir ein halbes Leben mit uns herumtragen. Sie lassen uns keine Ruhe. Sie verletzten immer wieder aufs Neue, wenn sie aufsteigen. So kann ein Leben regelrecht verbittert werden. – Bis wir irgendwann zu Rande kommen damit. Dabei kann uns die Passion helfen.

 

Spott und Hohn
In der Passion wird der Leidensweg Jesu erzählt. Die Leute strömen zu ihm, er hat grossen Zulauf, aber da stehen mächtige Gegner gegen ihn auf. Sie suchen, wie sie ihm etwas anhängen können. Schliesslich bringen sie ihn unter einem Vorwand vor Gericht. Er wird verhaftet und eingesperrt. Seine Anhänger kriegen es mit der Angst zu tun. Er muss zusehen, wie immer mehr von ihm abfallen. Auch engste Freunde gehen. – Es wird einsam neben ihm.

Die Soldaten treiben ihren Spott. Sie verbinden ihm die Augen und spucken ihn an: „Weissage mir, wer es gewesen ist!“ Sie setzen ihm eine Dornenkrone auf und verneigen sich: „Heil dir, König der Juden!“ … Sie kennen die Geschichte. Ja, da sind starke Gefühle. Da ist die Wut der Verfolger. „Kreuzige ihn!“ rufen sie. – Eine solche Wut lässt sich gar nicht begreifen. Wie hat er das verdient? –

Da ist die Scham des Verfolgten. Vor allen Leuten wird er blossgestellt. Er wird verspottet und ausgelacht. Jeder kann ihm einen Tritt geben, der will. – Wer so vorgeführt wird, der möchte am liebsten im Boden versinken. So weiterzuleben, scheint ihm ganz unmöglich. Er glaubt, nie mehr den Kopf heben zu dürfen im Leben.

Wir begreifen das Gefühl der Ohnmacht, so ausgeliefert zu sein. Die Menschen um Jesus getrauen sich nicht, einzugreifen. Und die Ohnmacht stachelt ihrerseits die Wut an. Man möchte es den Gegnern heimzahlen.

 

Verknotet zu unlösbaren Konflikten
So läuft es oft in der Welt und auch heute. So werden Knoten geschürt, die nicht mehr aufgehen. Wut stösst auf Wut und Gewalt auf Gewalt. Es entstehen Konflikte, von denen man immer wieder in den Nachrichten hört. Kein Mensch sieht, wie ein Ausweg möglich sein soll. Ganze Konfliktgebiete gibt es auf der Erde, wo kein Friede einkehrt.

Hier in der Passion ist es anders. Hier ist es anders, weil Gott sich einmischt. Er gibt dem Opfer Recht. Er vergisst ihn nicht: ihn, der gedemütigt am Rand verscharrt wurde. Er hebt in ins Licht. Er macht es zu seiner Sache. Er hebt ihn zu sich empor. Und er setzt das Opfer zum Richter ein, so sagt es der Glaube. Er wird wieder kommen, am Ende der Zeit, und Gericht halten. Da kommt alles vor seinen Thron. Er sieht alles an, damit es Gerechtigkeit gibt – Gerechtigkeit in der Welt, Gerechtigkeit für jedes Leben.

 

Das verletzte Recht wird geheilt
Das ist der Glaube der Jünger. Das ist das Vertrauen von Ostern. Weil sie auf Gott vertrauen, nehmen sie es nicht in die eigene Hand.

Der Apostel Paulus sagt: Rächet euch nicht selbst, sondern gebt Raum dem Zorn Gottes; denn es steht geschrieben: „Die Rache ist mein, spricht der Herr. Ich will vergelten. Darum lasse dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.“ (Römer 12, 19)

Darum, die Christen, wenn sie etwas haben, das sie beschäftigt, dann übergeben sie es Gott. Mein ist die Rache spricht der Herr. Sie übergeben ihm ihre Wut, dass er etwas daraus mache, ihre Enttäuschung, ihren Schrei, dass das nicht sein darf!, ihren Wunsch nach Vergeltung. Und sie erfahren im Glauben, dass Gott es aufnimmt. Er lässt Jesus nicht im Grab. Er bringt ihn ins Licht und zu Ehren. –

So zu glauben, das haben die Christen bei Jesus gelernt. Denn er hat selber so auf Gott vertraut und in diesem Vertrauen sein Leben angenommen. Als er verhaftet wird, greift ein Jünger nach dem Schwert. „Steck es zurück! Ruft er ihm zu: Wer zum Schwert greift, wird durch das Schwert umkommen.“ (Mt 26,52) Er will das Unrecht nicht heimzahlen. Eines seiner letzten Wort am Kreuz ist: „Herr, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun!“ (Lk 23,33)

 

Ein Weg
So hat er uns einen Weg geöffnet, wie wir mit Schuld umgehen können: Es ist die Vergebung. So hat er einen Türe aufgemacht, wie wir aus Sackgassen herausfinden: weil wir glauben dürfen, dass auch wir Vergebung finden. Und dass wir ganz und gar angenommen werden, selbst wenn wir uns verirrt haben und falsche Wege gegangen sind in unserer Passion.

Er zeigt uns, wie wir mit starken Gefühlen umgehen können, auch mit Scham und Blossstellung: im Vertrauen auf Gott, der sich niederbückt zu den Gedemütigten und sie aufrichtet, und der ihnen sagt: „Du bist teuer in meinen Augen und wertgeachtet, ich habe dich lieb!“ (Jes 43, 4)

Die Passionsgeschichte lehrt uns, auch in den schweren Zeiten unseres Lebens das Vertrauen auf Gott aufrecht zu erhalten.
Gott ist gerecht. An dieser Überzeugung dürfen wir festhalten. –
Gott ist gerecht – auch wenn wir manchmal verzweifeln möchten am Leben.
Gott ist gerecht – dieser Glaube gibt Kraft, den Weg zu gehen. Er lehrt uns eine gute Haltung, er leitet uns richtig an bei unseren Entscheidungen. Auch unser Leben kommt ans Ziel. Gott steht zu uns, er führt uns und begleitet uns. Es gibt eine Gerechtigkeit auch für uns und unser Leben.

Der Suchweg geht weiter

Wer seinem Leben folgt, der macht, ohne dass er das wollte oder einmal für sich beschlossen hätte, einen Suchweg. Er geht durch Tunnels, kommt auf Plätze, wandert durch dunkle Wälder, findet auf eine Lichtung. Er schifft sich ein, gerät in Seenot, fällt über Bord. Das Wasser geht im bis zum Hals, es geht ihm über den Kopf. Er verliert den Boden unter den Füssen und geht unter.

Er tritt eine Reise an ihm Dunkeln. Hier werden Bilder hell, die in der normalen Welt nicht zu sehen sind. Sie leben in einem besonderen Gedächtnis. Jetzt ist ihre Zeit gekommen. Sie zeigen ihm Gestalten, führen ihn einen Weg.

Und plötzlich ist er wieder hinausgeworfen in eine helle Welt. Als ober er neu geboren wäre. Und er nimmt sein Leben wieder auf. Aber jetzt gelingt es ihm besser. Er kann brauchen, was er im Dunkeln erlebte. Es ist nützlich, was er lernte auf diesem Umweg, den er nie freiwillig auf sich genommen hätte, der ihm wie das Unsinnigste erschienen wäre, womit man sein Leben zubringen kann.

Aber hier, in diesem Dunkel, in diesem Umweg, in dieser Reise durch den Nahbereich des Todes, in diesem Versinken im Strudel, gegen den alle Angst sich wehrt, hier hat er etwas gelernt, was alles Tun und Wollen ihn nicht lehren könnte. Er könnte es nicht steuern, aber es gibt einen Führer, den er auf diesem Weg mitnehmen kann: das ist das Vertrauen, damit er die Sicherheit loslassen kann. Die Sicherheit hält ihn fest, er will dann alles unter Kontrolle halten. Und ganz sicher will er nicht in das hineingehen, was ihm Angst macht. Aber gerade dort ist der Weg. Gerade dort hindurch muss er gehen.

Und dort, wo er ein Leben lang dachte, sei der Strudel, das Loch, in das er sicher nie mehr hineinfallen wollte – das war sein Lebensplan – dort zeigt sich ihm jetzt die Mitte. Und später, wenn er im Leben wieder einmal dahin gelangen möchte, ist dieser Ort nicht mehr umstellt mit feurigen Flammen und eisigen Kanälen. Jetzt ist eine Tür da, wo nie vorher eine Tür war. Jetzt kann er hindurchgehen. Und sie öffnet sich in einen Garten.

Und er kann eintreten in den Garten, in die Stille, und er erlebt sich im Einklang.

Wo das Loch war seiner frühesten kindlichen Verletzungen, ist jetzt eine Mitte, in der er sich einfinden kann. Wo Verhaltensweisen sein Leben bestimmten, das andere nur als pathologisch einstufen konnten, eröffnet sich neue Freiheit.

Er hat, was seine Psyche als Verletzung empfing, umgewandelt. Etwas ihn ihm hat geholfen, als ob die Psyche eine Selbstheilungskraft hätte. Er hat es kultiviert, was anfangs naturwüchsig in ihm ablief. Er hat zur Religion gefunden, zum Glauben.

Er hat Vertrauen gelernt, zu andern Menschen, zu sich selbst, zum Dasein. Er kann auf andere zugehen, kann die reaktiven Mechanismen abbauen. Es ist, als ob die Blume im Garten, die immer nur kümmerliche Blüten trieb, sich verwandelt hätte. Sie hat Farbe angenommen, sie reckt sich in die Höhe. Sie nimmt das Licht und die Wärme auf. Dann lässt sie die Blätter fallen und Samen erscheinen, die mit dem Wind über die Wiesen treiben.

 

Foto von Reza Nourbakhsh. Pexels

Mit dem Knie glauben

Kann man mit dem Knie glauben? – Die Frage scheint absurd. Umgekehrt ist es aber so, dass der Unglaube durchaus im Körper sitzt. „Der Schreck ist mir in die Glieder gefahren“ sagt man, oder „die Angst sitzt mir im Nacken“. Das Herz setzt aus, die Glieder sind wie gelähmt.

Nicht glauben können, die Unfähigkeit zum Vertrauen, die Verzweiflung – das sitzt auch im Körper, in den Muskeln, die verspannt sind, im Atem, der stockt, das sitzt in den Knochen. Und von dort her prägt es immer wieder unsere Gefühle und unser Verhalten. So stellt sich wirklich die Frage: Kann ich mit dem Knie glauben lernen? Kann ich dem Nacken das Evangelium verkünden, dass die Angst dort loslässt?

Der Körper speichert Erfahrungen aus der Lebensgeschichte. Und er speichert auch die Reaktionen, die wir in bestimmten Momenten gefunden haben. So muss nur eine bestimmte Frage an uns herantreten, eine bestimmte Situation, und schon spulen diese Reaktions-Mechanismen ab. Und wir kommen zu spät, wenn wir bewusst darauf reagieren wollen. Die Situation ist schon entschieden.

 

Die Haltung beim Aufwachen

Das beginnt schon am morgen früh, wenn wir aufwachen. Im Kopf haben wir vielleicht schon lange zum Glauben gefunden, aber der Körper speichert noch die alten Erfahrungen. Und bevor wir bewusst den Tag anfangen, mit Bibellektüre, oder was zu unserem persönlichen spirituellen Leben gehört, steigen die alten Gefühle schon aus dem Körper auf und bestimmen die Haltung, wie wir in den Tag gehen.

Diese Gefühle sind von Mensch zu Mensch verschieden. Ein glücklicher Mensch wird mit Gefühlen der Bejahung aufwachen. Es gibt andere, die so etwas wie ein „Nein“ in sich tragen. Sie fühlen sich schon abgelehnt, bevor sie den Tag beginnen und dem ersten Menschen begegnen. Darum ist das auch ein sehr persönliches Thema: „Körper und Spiritualität“. Denn konkret wird es erst, wenn man sich der Realität seines Lebens stellt. Der Körper trägt in sich eine Erinnerung an die ganze Lebensgeschichte. Er erinnert uns mit seinen Empfindungen daran.

 

Den Keller aufräumen

Er mahnt uns damit auf eine unaufdringliche aber doch hartnäckige Art, unser Leben durchzuarbeiten. Denn wenn wir es nicht tun, stolpern wir immer wieder über die gleichen Erfahrungen. Es ist wie im Dunkeln durch einen Keller gehen: Wenn man den Keller nicht aufgeräumt hat, stösst man sich bei jedem Schritt.

Den Keller aufräumen, das Leben durcharbeiten – man könnte auch sagen: missionieren. Zwar ist unsre Landesgegend in der späten Antike durch das Christentum missioniert worden, aber manchmal denke ich, das Christentum ist noch nicht ganz bis zu mir gekommen. Mit dem Kopf habe ich es schon aufgenommen. Aber mit dem Körper noch nicht. Und es entsteht das Bild einer Mission, die auch durch den Körper geht. Damit ich später auch mit den Knie glauben kann und der Nacken mir nicht immer wieder Streiche spielt. Dass der Körper mit seinen Erfahrungen mich unterstützt im Glauben, statt mich immer wieder auf andere Bahnen zu bringen.

 

«Christus kam nur bis Eboli».

So heisst ein Buch, das beschreibt, wie das Evangelium nach Italien kam, aber es hat noch nicht alle Provinzen erlöst, so dass die Menschen dort immer noch in Dunkelheit und Verzweiflung leben. Auch bei mir gibt es noch heidnische Gebiete. Mit dem Kopf habe ich schon vom Evangelium gehört. Aber mit dem Knie bin ich noch ein Heide.

(Aus einem Workshop, das ich  an einem Pfarr-Kapitel 2008 halten durfte)

 

Der Körper als Freund und Gegenspieler

Manchmal können wir uns so verhalten, wie wir möchten, manchmal nicht. Und es scheint wie vertrackt, dass wir beim besten Willen nicht können, wie wir möchten. Wer einige Jahre mit sich unterwegs ist, kommt sich selber auf die Spur. Offenbar gibt es Muster, die immer wieder ablaufen und die aus früher Kindheit stammen. Es ist nicht leicht, diese umzuprägen. Offenbar sind es Fehlanpassungen an eine Kindheitswelt, und sie lassen uns immer noch so reagieren, als ob wir in jener Zeit lebten. Wenn wir diese Charakterprägungen umprägen könnten, würden sie uns helfen, statt uns zu behindern.

 

Der Körper als Gegenspieler
Der Körper verfügt über Reaktionsweisen, die in früher Kindheit gelernt werden. Z.B. versucht ein Mensch bei einer verletzenden Erfahrung den Schmerz abzuwenden, er versteift die Muskeln, atmet flach. Es erinnert an einen Totstellreflex.

Das wird zu einem Angstabwehr-Verhalten, das später selbsttätig abläuft und sich bei einem bestimmten Reiz reaktiv einklinkt. Die bewusste Verhaltenssteuerung kommt hier immer schon zu spät.

Das macht das Demütigende solcher Erfahrungen aus, dass man sich als unfrei erlebt, ohnmächtig, wie ausgeliefert an ein dunkles Schicksal, das aber nicht über einem lauert, sondern das man wie einen Kern in sich selber trägt. Und man hat das Gefühl, dass man im Leben immer wieder in dieselbe Falle trampelt. Man möchte an seinem Leben verzweifeln, ob man es noch zu einem guten Ende bringt.

 

Der Körper als Helfer
Auf der anderen Seite gibt es Erfahrungen, in denen der Körper sich nicht als Gegenspieler zeigt, sondern als Helfer, weil er auch die Gefühle aus «guten Zeiten» wiederbeleben kann.

Für mich war es eine Aufbruch-Zeit, als ich im ersten Studium für eine Zeitung zu arbeiten begann. Viele Dinge haben sich damals geordnet: Endlich stellte sich etwas Erfolg ein. Ich verdiente etwas Geld, konnte unabhängig werden von den Eltern. Das tat meiner Selbstachtung gut, ich konnte eine Beziehung eingehen.

An diese Zeit habe ich mich später erinnert, in einer Phase grosser Demütigungen. Aber die Erinnerung weckte nicht Bedauern, was ich verloren hatte. Die Erinnerung weckte die Empfindungen in mir aufs Neue, so dass ich wirklich besser auftreten konnte auf der Strasse. Ich hatte ein besseres Auftreten vor den Menschen. Ich konnte mich besser achten, als ich es eben noch tat.

Nicht nur die Gefühle wurden also wiederbelebt, auch die Haltung, die ich damals im Leben empfand, konnte ich wieder neu aktivieren und als Quelle für die Bewältigung meines Alltags in dieser Zeit anzapfen.

Die meisten Menschen kennen das aus ihrem Leben. Und die meisten Pfarrer nutzen das auch in der Altersarbeit: dass man mit den Menschen zu bestimmten biographischen Erfahrungen zurückgeht, wie zu einer Quelle, und dort an der Tankstelle die Energie zapft, die sie heute brauchen für ihren Weg.

 

Der Körper hat ein eigenes Gedächtnis.
Dieses ist mitbeteiligt an der Art, wie wir Situationen wahrnehmen und wie wir reagieren. Es bestimmt, wie wir uns selber als Person empfinden und wie wir in die Welt hinausschauen: So kann aus dem Totstellreflex, mit dem wir eine traumatische Erfahrung überstanden haben, ein Gefühl von Lähmung, Ohnmacht und Depression aufsteigen. Und aus der Erinnerung an eine glückliche Phase fliessen uns Quellen zu, von denen wir gar nichts wussten.

 

Sakramente
Damit wäre auch schon ein Programm skizziert: Es ist die Frage, wie wir negative Prägungen aufheben oder um-modeln können. Und wie wir vermehrt solche Tankstellen in uns verankern.

Damit ist auch die Frage der Sakramente angesprochen. Diese können uns auf dem Glaubensweg helfen, weil sie eine sinnliche Dimension enthalten. Alles Sinnliche, das eine Erfahrung begleitet, hilft, das Erfahrene im Körpergedächtnis abzuspeichern. Hier wird also das Körpergedächtnis als Hilfe eingesetzt. Es kann später wieder angezapft werden wie eine Quelle. Mit der Erinnerung werden auch die Haltungen wieder verfügbar und die Handlungsweisen, die diese erschliessen.

(Diese sinnliche Dimension des Sakraments wurde früher bewusst eingesetzt, um das Körper-Gedächtnis im Sinn des Glaubens zu prägen. – Wenn in der Antike ein Adept in einen Kult eingeführt wurde, so wurde die Initiation so gestaltet, dass sie sich der Erfahrung möglichst einprägte. Der neue Glaubensgenosse wurde durch gewissermassen „geimpft“. Das half ihm später auf dem praktischen Lebensweg, gemäss seinem Glauben auch zu leben.)

(Aus einem Workshop, das ich an einem Pfarr-Kapitel 2008 halten durfte)

Können Gedanken praktisch werden?

Dass wir im Glauben, in der praktischen Frömmigkeit, nicht am Körper vorbei kommen, das ist nichts Neues. Die Glaubenspraxis hat hier vieles aufgenommen, was in der Therapiebewegung der letzten Jahrzehnte erarbeitet wurde.

Schon bald nach Freud gab es Therapeuten, die seine Analyse als „Rede-Kur“ verstanden und nach wirkungsvolleren Mechanismen suchten, auf die Seele einzuwirken. So entstand eine körperorientierte Psychotherapie (Wilhelm Reich, Alexander Lowen und viele andere).

In den 80er Jahren gab es in der philosophischen Ethik eine analoge Diskussion. Auch dort war man unzufrieden mit einem Ansatz, der nur über den Intellekt auf das Verhalten der Menschen zugreifen wollte. Der Vernunft wurde nicht zugetraut, das Verhalten zu bestimmen. Beispiele aus der Geschichte liessen ausserdem skeptisch werden gegen den Rigorismus einer Vernunftethik. So suchte man den Zugang über Institutionen, die sich nicht nur mit Normen an den Intellekt richten, sondern diese Werte bereits verkörpern. Damit können diese der neuen Generation auf eine Weise vermittelt werden, damit diese auch „können, was sie sollen“.

So kam es damals zu einer neuen Auseinandersetzung mit ethischen Konzepten, die nicht die «Moralität» der Gesinnung, sondern die objektive „Sittlichkeit“ in den Mittelpunkt stellten. Das Appellieren an Normen kommt immer schon zu spät. Die Menschen müssen auch in die Lage versetzt werden, demgemäss zu handeln. Das geschieht in der Sozialisation und Enkulturation, in der Erziehung, in der biographischen Prägephase. Die Ethik kann sich also nicht nur mit Normen befassen, sondern muss auch die Frage der Erziehung, der Familie, des rechten Staates etc. klären.

 

Der Fluss und das Flussbett
Zwischen den Normen und dem Verhalten stehen die Institutionen, die das Verhalten lenken. Sie sind wie ein Flussbett. Ist dieses einmal geprägt, kann man den Lauf des Flusses nicht ändern, mit allem Aufwand nicht. Will man, dass er anders läuft, muss man etwas am Flussbett ändern, d.h. an den Institutionen.

Ein solches Flussbett sind auch die Körper-Erinnerungen. Jetzt lässt sich das anders formulieren: Diese Erinnerungen sind Institutionalisierungen des Verhaltens, es sind Reiz-Reaktions-Schemata. Diese lenken nicht nur das Verhalten im Alltag, sie sind auch an biologischen Reifungs- und Werde-Prozessen beteiligt, wie bei der Geburt (oder beim Sterben). Sie steuern die Transformations-Prozesse, die wir in unserem Leben durchmachen, z.B. die Pubertät, die Wechseljahre, das Altern…

Diese Prozesse sind für unser Leben zentral. Es ist wichtig, dass sie gelingen. Aber mit dem bewussten Verhalten haben wir darauf kaum Zugriff, es sind Dinge, die „wie im Traum“ geschehen (die Träume geben uns Hinweise darauf, was im Tun ist). Wir müssen und können uns ihnen überlassen.

 

Stanislav Grof hat viel interessantes Material dazu beigetragen, wie solche Prozesse gesteuert werden. Für uns interessant ist es, weil er die Erfahrungen mit religiösen Mythen verbindet, die Ähnliches zur Sprache bringen. Er versucht, die Herkunft gewisser mythischer Bilder in einer konkreten Erfahrung zu verankern. Oder umgekehrt: Die Mythen werden als kollektive Bilder für Erfahrungen gesehen, die alle Menschen in gewissen Transformations-Prozessen machen, z.B. bei der Geburt.

 

(Aus einem Workshop an einem Pfarr-Kapitel 2008)

(Die angesprochene Debatte der 80er Jahre ist zusammengefasst in dem Buch „Moralität und Sittlichkeit. Das Problem Hegels und die Diskursethik“. Hg von Wolfgang Kuhlmann, Ffm 1986.)

 

Verstrickt

Das Verhalten kann sich «verkrusten» in äusseren Strukturen. Dann ist es kaum mehr zu ändern. Die Handlungen folgen dem Muster, das die Strukturen vorgeben, obwohl der Mensch inzwischen anders handeln will. So kann sich das Tun eines Menschen gegen ihn selber richten. Die Freiheit wird aufgehoben durch die Freiheit selbst. Und der gute Wille allein genügt nicht, wieder daraus hervorzukommen. Das lehrt nicht nur die Therapiebewegung, das ist auch eine Erfahrung in den grossen zivilisatorischen Krisen dieser Zeit. Diesem Gedanken bin ich in einem Gottesdienst zum Bettag nachgegangen.

Der Bettag in seiner heutigen Form ist nicht von Kirche und Pfarrern begründet worden, sondern vom Staat. Wenn eine Notzeit war, rief die Obrigkeit die Untertanen auf, zu Gott zu beten, damit er das Unheil abwende.

 

Beten auf Geheiss der Regierung
Dass das auch heute noch geschieht, haben wir diesen Sommer erlebt. Als es in Polen so stark regnete, forderte die Regierung die Bevölkerung zum Gebet auf. Und als das Feuer in Griechenland monatelang wütete, sprach die Regierung von einer „von Gott gesandten Plage“.

In der Presse ist das nicht gut aufgenommen worden. Wenn man Fehler gemacht habe, könne man sich nicht hinter Gott verstecken. In Griechenland habe der Staat versagt. Die Wälder wurden vernachlässigt, hiess es. Der Abfall blieb liegen und geriet in Brand. Ähnlich in den Überschwemmungs-Gebieten: Man habe Häuser in Risiko-Gebiete gebaut. Wenn diese überschwemmt würden, dürfe man nicht der Natur die Schuld geben.

 

Es sieht aus wie Natur
Tatsächlich kann man sich fragen, ob das „Natur“ ist, wenn Überschwemmungen wüten. Erinnern Sie sich an das Reaktor-Unglück von Tschernobyl? 1986 hat sich im dortigen Kernkraftwerk ein Unfall ereignet. Grosse Mengen radioaktiven Materials wurden in die Luft geschleudert. Danach konnte man am Fernseher verfolgen, wie sich die radioaktiven Wolken über Europa verbreiteten. Es sah aus wie „Natur“, es glich der Wetterkarte im Fernsehen, aber es war mensch-gemacht.

Als die Radioaktivität einmal freigesetzt war, konnte man sie nicht mehr kontrollieren. So dehnte sich die Tschernobyl-Wolke mit naturwüchsiger Gewalt über die Länder aus, dennoch war der Ursprung technisch. Es war eine Art Mischprodukt aus Naturgewalt und menschlicher Technik, eine „zweite Natur“. Aber die Schuld lag nicht bei der Natur, sondern beim Menschen.

Ähnlich ist es mit der heutigen Klimaveränderung. Sie geht auf menschliche Ursachen zurück, auch wenn die Folgen wie „Natur“ aussehen: wenn Wolken aufziehen, wenn es regnet. Das sieht aus wie die alte Natur, an die die Menschheit seit Jahrtausenden gewohnt ist. Aber es ist etwas Neues.

Das Fehlverhalten verdichtet sich manchmal zu einer „Zweiten Natur“ und spult sich dann ab, losgelöst von dem, was man will, und trotz des Widerspruchs, den man vielleicht einlegen möchte. Aber das System hat sich verselbständigt.

Die Freiheit des Menschen ist nicht aufgehoben, sie steckt da drin. Die Zweite Natur ist die Verkrustung alter Entscheidungen, es ist das alte Kleid, das wir uns selbst geschneidert haben, es sind die Schuhe, die früher passten. Aber heute passen sie nicht mehr, und wir müssen unsere Füsse in Schuhe zwängen, die drücken und beim Gehen schmerzen.

 

Verstrickt und lahm gelegt
Das ist nicht nur eine moderne Erfahrung. In der Bibel gibt es ein 2000jähriges Nachdenken über den Menschen: was ihn ausmacht, wie er lebt, was es braucht, dass es gut kommt im Leben und woher die Fehler kommen, die den einzelnen treffen, aber auch die ganze Gemeinschaft.

Im Verlauf dieser 2000jährigen Geschichte sieht man so etwas wie eine „Schuldvertiefung“. Anfangs drehte sich das Denken um die Fehler, die man im Moment macht. Wo ein böser Wille ist, geschehen auch schlechte Taten. Dann aber sah man, dass jene Fehler oft noch viel schlimmer sind, die beim besten Willen geschehen, wo wir aber wie verstrickt scheinen, so dass das Ergebnis doch schädlich ist für den einzelnen und für die Gemeinschaft.

Um diese Situationen zu bereinigen, braucht es nicht nur Vergebung, es braucht Heilung. Die Verstrickung selbst muss aufgehoben werden, die sich auch gegen den neuen, veränderten Willen des Menschen immer wieder durchsetzt. Der einzelne Mensch muss geheilt werden, die Gemeinschaft und die Natur des Menschen, die sich zu einer zweiten Natur gewandelt hat.

In der Zweiten Natur stecken die alten Taten des Menschen, aber sie haben sich verewigt, die neuen Taten kommen nicht dagegen an. Der beste Wille nützt nichts, man begeht Fehler. Wir werden objektiv schuldig, auch wenn wir subjektiv der besten Gesinnung folgen.

 

Der Bach gräbt sich sein Bett
Es ist wie ein Bach, der den Berg hinunter fliesst und sich einen Weg bahnt. Er gräbt sich selber ein Bett, wo er fliessen kann. Am Rand lagert er das Geröll ab. Zwischen diesen Ufern fliesst er. Zuerst ist es der Bach, der sich das Bett gräbt, aber später ist es das Bett, das bestimmt, wo der Bach fliessen kann. – Wer Herr ist und wer Knecht, wer befiehlt und wer gehorcht – das hat sich verkehrt. Wenn man der Welle sagt, ich will nach links, nützt das nichts. Man müsste das ganze Bachbett neu graben, um neue Wege möglich zu machen.

Diese Einsicht findet man auch im ersten Testament. Da klagen die Menschen: „Die Väter haben saure Trauben gegessen, und den Kindern werden die Zähne stumpf“ (Jer 31,29 und Ez 18,2). Die Vorfahren haben die Umwelt belastet, die Kinder baden es aus.

Mit dieser Einsicht vertieft sich auch das Nachdenken, was denn nötig ist, um einen neuen Weg möglich zu machen. Vergebung allein reicht wohl nicht, es braucht mehr.

„Gib uns ein neues Herz!“ beten die Israeliten zu Gott. Nimm uns das steinerne Herz, das tut, was wir nicht wollen. Gib uns ein fleischernes Herz, so dass wir tun können, was richtig ist, statt dass wir uns abmühen und ohnmächtig zuschauen, wie das Verkehrte entsteht. Und wir werden schuldig beim besten Willen!

Aus einem Bettags-Gottesdienst 2007

 

Zeichen und Worte

Was helfen Sakramente? Ich fange hinten an, bei den Erfahrungen, nicht vorne, mit einer Sakramenten-Lehre. (Als Pfarrer sind wir vielleicht ein Stück weit verbildet, weil wir immer wieder von der Antwort her feiern und kaum dazu kommen, den Weg selber zu finden.)

Wir Menschen kennen die Empfindung – es ist uns vielleicht nicht immer bewusst, aber im Lauf des Lebens taucht es wie eine Ahnung in uns auf: dass es so etwas wie eine Quelle gibt, wo wir uns anschliessen können. Wo das Leben herkommt, wo wir Kraft schöpfen können.

Wir spüren: Gewisse Dinge können wir uns nicht erkämpfen, wir können sie uns nur schenken lassen. Viele kennen auch den Moment, wo sie sich wie leer fühlen, sie können sich anstrengen wie sie wollen, es kommt nichts mehr. Es ist, als ob sie immerzu in einem leeren Kübel kratzten.

Da hilft es nichts, sich noch mehr anzustrengen. Da gibt es nichts, was wir erkämpfen können. Viel eher hilft uns hier ein anderes Bild: Es ist, wie wenn wir uns an einen Tisch setzen und teilnehmen. So können wir Teil haben an einem Geschehen, uns anschliessen an eine Quelle, angeschlossen sein an ein Grosses, Ganzes, das nicht aus uns kommt, aber wir aus ihm.

Hier wird die Feier zu einem Verhalten mit ganz eigenen Möglichkeiten. Sie kann nicht, was das «Machen» kann, sie kann nicht, was das «Denken» kann. Sie kann etwas anderes, aber Tun und Machen, Betrachten und Denken wirken mit und kommen in ein neues Gleichgewicht. Wir lernen uns neu verstehen, unsere Motivation wird erneuert, wir können neu auf die Situation zugehen.

Wir empfangen Vergebung – was die Vergangenheit unabänderlich verschlossen hat, wird aufgeschlossen. Wir vergeben anderen Menschen – die Zukunft, die verriegelt und verrammelt schien, wird aufgeschlossen.

(Aus einem Workshop an einem Pfarr-Kapitel 2008)

 

Sakramente – richtig feiern

Sakramente sind uns in der Reformierten Kirche fremd geworden, trotz der existenziellen Bedeutung, die sie früher hatten. Wie können wir sie feiern, dass sie wieder helfen auf dem Weg?

Sakramente sind Hilfen auf dem Weg. Sie haben ursprünglich eine grosse praktische Bedeutung für den Alltag und das Leben, auch wenn man das heute vielleicht nicht mehr glauben kann und das Gefühl hat, das seien altertümliche Relikte in Sonder-Gottesdiensten.

Wie können wir sie feiern, dass sie wieder helfen auf dem Weg?
Wie können Sakramente schon jetzt Anteil geben an dem, was sie dem Feiernden zusagen: die Gemeinschaft mit Gott?

Die archaische Zeit kannte Riten, in denen ein Menschen durch Trinken und Essen eine „Seelenreise“ antrat zum Ursprung der Welt und zum Ziel des Lebens. Von dort kam das „Wasser des Lebens“. Dort war der Zugang zur „Quelle“, aus der das Leben stammt, wo es unverlierbar gehalten ist. Dort fand er Unterstützung auf dem Weg.

Die Antike kannte einen „Göttertrank“, der Unsterblichkeit verleiht und einen Ritus, der den Feiernden aufnimmt in eine Gemeinschaft, wo er nicht mehr verloren geht, wo er neue Identität gewinnt.

Die Mysterienkulte der Antike zeigen, wie Adepten in eine religiöse Gemeinschaft eingeführt werden. Dabei wird das Fühlen betont, nicht das Lernen (nicht „mathein“ sondern „pathein“ war das Schlagwort). Dadurch soll sich das Neue, das der Glaube vermittelt, ins Körpergedächtnis einprägen, damit es hilft auf dem Weg.

Das wirft ein Licht auf das Verhältnis von Körper und Spiritualität und zeigt einen Weg für die Feier von Sakramenten.

 

Körper und Spiritualität
Die christliche Spiritualität hat in den letzten 20 Jahren die Diskussion innerhalb der Therapie-Bewegung aufgenommen. Dort wollte man weg von einer blossen „Rede-Kur“. Diese wird als ohnmächtig erlebt, sie bleibt nur im „Kopf“, während das Fühlen und Verhalten den alten Erfahrungen folgen, die im Körpergedächtnis abgespeichert sind. (Der Schreck sitzt einem noch „in den Knochen“. Man unterdrückt das Atmen, stellt sich tot – eine Haltung, aus der sich eine Depression entwickeln kann.)

Die im Körper gespeicherten Erfahrungen bestimmen die Haltung schon beim Aufstehen und sie haben Folgen für den ganzen Tag. Und man realisiert: „Christ“ ist man erst im Kopf, während der Unglaube noch in den Knien hockt. Vertrauen zu lernen, das muss durch den ganzen Körper gehen! Die Kontinente, die von der Mission noch nicht erreicht sind, liegen im eigenen Körper. Dabei helfen die Sakramente als Bindeglieder zwischen Fühlen und Denken, Kopf und Körper.

Hier ist das Vorgehen der Mysterienkulte interessant. Das Christentum hat seine Feiern in der Antike in Formen gekleidet, die in den Mysterienkulten vorbereitet waren. So wurde eine Taufe gefeiert als Ritual für die Aufnahme und ein Abendmahl für die Feier der Gemeinschaft. Die Gegenwart Gottes erlebte man im Gottesdienst.

Hier ist vieles zu lernen.

Aus dem Bericht über mein Sabbatical an die Kirchenpflege, 19. September 2007

 

Die Scham oder der Körper

Der Körper bewahrt in sich die Erinnerung an die Verletzung und er verkrümmt sich so, dass diese nicht mehr ins Bewusstsein aufsteigt. Damit verewigt er sie aber im Gegenteil. Das Kind hat sich totgestellt, es hat den Atem angehalten, die Glieder eingezogen. So spürt es nichts. Wenn immer etwas an seine schmerzhafte Erinnerung rührt, nimmt dieser Mensch unwillkürlich diese Haltung wieder ein, der Atem stockt, der Körper erstarrt, die Empfindungen werden nicht mehr verspürt. Das Kind fühlt sich wie tot.

 

Er heiligt das Verpönte
Der Körper gehört dazu, der Körper ist das andere Element im Sakrament. Jesus Christus als das Ursakrament ist wahrer Mensch und wahrer Gott. Seine Herabkunft ist nicht nur theologisch, sondern auch praktisch wahrzunehmen. Und zwar die Herabkunft bis ans Kreuz, bis zu dem Ort der Scham und Schande draussen vor Jerusalem, dem unreinen Ort, wo er hingerichtet wurde, denn er wurde zu den Verbrechern gezählt. Ohne Kreuz kein Heil, ohne Herabkunft keine Auffahrt. Ohne Körper und Welt kein Himmel.

Scham und Schande sind geheiligt, es ist der Ort, wo Christus bei den verletzten Menschen ankommt und sie heilt. Es ist der Ort der Ankunft, wo das Heil geschieht.

Der Körper bewahrt in sich die Erinnerung an die Verletzung und er verkrümmt sich so, dass diese nicht mehr ins Bewusstsein aufsteigt. Damit verewigt er sie aber im Gegenteil. Das Kind hat sich totgestellt, es hat den Atem angehalten, die Glieder eingezogen. So spürt es nichts. Wenn immer etwas an seine schmerzhafte Erinnerung rührt, nimmt dieser Mensch unwillkürlich diese Haltung wieder ein, der Atem stockt, der Körper erstarrt, die Empfindungen werden nicht mehr verspürt. – Das Kind fühlt sich wie tot.

 

Abschneiden der Lebendigkeit
Es hat für das Überleben die Lebendigkeit geopfert, sagt der Körperpsychologe Alexander Lowen. Damit aber auch die Spontaneität, das Verfügen über jene selbstverständlichen Verhaltensweisen, die es uns erlauben, uns zu bewegen, uns in ein Verhältnis mit uns selbst zu setzen und mit den Menschen rund herum.

Das Kind „verkrümmt sich“, habe ich gesagt. Das Wort bezeichnet in der theologischen Tradition die Erbsünde (incurbatum in se ipsum). Das hat nichts mit Sexualität zu tun, aus der oben geschilderten Erfahrung ist es eher eine in der Kindheit eingeübte Haltung, die für das Überleben alles andere opfert.

 

Die Kinderfresser-Religion
Das ist eine Art Kinderfresser-Religion, die dringend zu christianisieren ist. (Aus Angst ist der Mensch in sich verkrümmt, im Vertrauen auf das Evangelium kann er sich entfalten. Aber dieses Vertrauen, Glauben, verfällt immer wieder dem Zweifel. Der Weg durch den Köper hilft dem Glauben und dem Leben aus dem Glauben.)

In dieser Verkrampfung, in der das Kind sich totstellt, gerät auch die Sexualität in Feindschaft zum denkenden ängstlichen Ich. Es gehört zu den Empfindungen, die geopfert werden, die, wenn sie durchbrechen, Angst und Scham auslösen, weil die Deckung verlassen ist. Aber nur von Sexualität zu sprechen, verengt das Thema. Es ist das ganze Leben, das hier abgeschnitten wird.

 

Aus Notizen 2007

Das erwähnte Buch: Alexander Lowen, The betrayal of the body. Deutsch: Der Verrat am Körper. Bern und München 1980.

Foto von jonas mohamadi, Pexels

Manchmal kann das Schreckliche auch schön sein. Die überforderte Psyche rettet sich. Sie verengt die Aufmerksamkeit auf einen Spalt, auf ein kleines Detail: das Licht, wie es gerade scheint, einen Ton, ein Muster an der Wand… Die Welt verschwindet und macht der Schönheit Platz. Diese Reaktion auf ein unerträgliches Erlebnis begegnet auch in dem Film «Foxtrot» von Samuel Maoz aus dem Jahr 2017, den wir im Rahmen der Veranstaltung Psychoanalyse und Film gesehen haben. Weiterlesen

Der Körper bewahrt in sich die Erinnerung an die Verletzung und er verkrümmt sich so, dass diese nicht mehr ins Bewusstsein aufsteigt. Damit verewigt er sie aber im Gegenteil. Das Kind hat sich totgestellt, es hat den Atem angehalten, die Glieder eingezogen. So spürt es nichts. Wenn immer etwas an seine schmerzhafte Erinnerung rührt, nimmt dieser Mensch unwillkürlich diese Haltung wieder ein, der Atem stockt, der Körper erstarrt, die Empfindungen werden nicht mehr verspürt. Das Kind fühlt sich wie tot. Weiterlesen

Der Taufweg für Erwachsene

Es gibt in unserem Leben so etwas wie einen „Regisseur“, der uns begleitet, der bei den grossen Wendepunkten die Weichen stellt. Wir spüren es und wir wissen, es ist nicht unsere Vernunft, die das macht. Und doch ist es auch in uns wirksam, an unserem Leben.

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In dieser Zeit las mir unsere kleine Tochter ein Märchen vor. Es berührte mich wie ein Traum. Es handelte davon, wie Quellen austrocknen, und wie der Mensch auf einer Reise zu den Quellen den Anschluss wieder finden kann. Dieses Märchen beschäftige mich lange. Und ich begriff, dass es von denselben Dingen handelte wie das Abendmahl. Weiterlesen

Auch unser Körper hat in seinem Gedächtnis Schlüssel gespeichert, die Türen aufschliessen zu wohltuenden Speichern und Seelenlandschaften, zu Erfahrungen der Geborgenheit und des gelungenen Hinausgehens. Weiterlesen

Eine junge Frau beschreibt am Radio ihr Entzücken, als sie nach vier Wochen Ausgangs-Sperre ihren Freund wieder sehen darf! Erst vier Wochen kannten sie sich, da kam das Besuchs-Verbot. Sie haben viel telefoniert in dieser Zeit, wenigstens die Stimme gehört. Endlich können sie sich wieder in die Arme schliessen! Weiterlesen