Tragestarre

Auch unser Körper hat in seinem Gedächtnis Schlüssel gespeichert, die Türen aufschliessen zu wohltuenden Speichern und Seelenlandschaften, zu Erfahrungen der Geborgenheit und des gelungenen Hinausgehens.

 

Allmählich beschleunigt sich die Zeit, sie geht mit Riesenschritten. Ich habe lange nur auf den „Berg“ gesehen, der als Arbeit vor mir lag: ob ich das noch schaffe. Und jetzt ist es fast vorbei. Am Mittwoch ist noch eine Weihnachtsfeier. Und das war dann das letzte Weihnachten für mich als Pfarrer.

Feiertag
Heute bin ich früh aufgewacht, ich habe die Abfallsäcke vor die Tür gestellt, dann wieder hinein, in die Wärme. Ich bin zu A. ins Bett gekrochen, dann Frühstück gemacht. Bald kamen auch die Kinder. A. zündete die Kerzen auf dem Adventskranz an. Vierter Advent war gestern, aber da war kaum Zeit für Frühstück mit Kerzen.

Nach dem Essen spielte S. Klavier. Ich fragte sie, ob sie mitkommen wolle, um für die Kinder von M. Geschenke zu kaufen. Aber sie blieb lieber zu hause. Wenn sie frei hat, geniesst sie die offene Zeit, die wie eine Landschaft hinter dem Frühstück liegt. Und schon das „Z’morge“ ist ein Hafen, von dem aus die Schiffe zu Entdeckungsreisen in schöne unbekannte Länder segeln.

Jetzt gerade scheint die Sonne, aber es wechselt in kurzem Rhythmus, mal hell und freundlich, dann wieder düster und bewölkt. Die Katze hat sich auf dem Bett ausgestreckt. Sie stösst mit den Vorderpfoten gegen das Deckbett. Sie macht „Milchtritte“ wie als kleines Katzenbaby und scheint wie in „Trance“. Auch Katzen regredieren. Wenn ich sie am „Schlafittchen“ packe, erinnert sie sich per Körpergedächtnis an ihre Kinderzeit. So hat ihre Mutter sie im Genick gepackt, wenn sie sie an einen anderen Ort trug. Die kleinen Katzen fallen dann in „Tragestarre“.

Tragestarre
Auch wir brauchen das. Auch unser Körper hat in seinem Gedächtnis Schlüssel gespeichert, die Türen aufschliessen zu wohltuenden Speichern und Seelenlandschaften, zu Erfahrungen der Geborgenheit und des gelungenen Hinausgehens. Und die Sonne scheint aus einem blauen Himmel und gibt den Segen dazu.

Frühe Erfahrungen sind, wenn sie positiv sind, wie Sakramente, die ins Leben führen. Wo man sich niederlassen kann an einem Tisch. Da gibt es nichts zu kämpfen. Da ist Nahrung, da ist die Quelle. Und wenn sie negativ sind, werden sie zu Lebensthemen. Durch Argumente lassen sie sich nicht beschwichtigen. Da geht der Weg los durch Weihnacht und Karfreitag.

 

Aus Notizen 2013
Foto von Tatiana Syrikova von Pexels

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