Ostern ohne weil

Ich war mit dem Fahrrad draussen. Nach einem kalten und regnerischen Zwischenspiel kehrt der Frühling zurück. Beim Fahren gehen die Gedanken voraus. An Ostern kommt die ganze Familie zusammen. Seit ich eine Familie habe, ist Ostern das schönste Fest für mich. Die Familie hilft mir offenbar übersetzen, was es heisst, so wie der Frühling eine Verständnishilfe war, als ich einen Garten hatte.

Ostern weil…
Der Frühlingsgarten mit seinen Blumen kommt wie durch Zauberhand. Die Zwiebeln sind in der Erde und treiben aus. Und man muss nichts dazu tun, nach einem wunderbaren Kalender folgen die einen auf die andern, es ist zauberhaft, den Garten anzusehen mit seinen Blumen und Blütenpolstern. Wenn dann noch kleine Kinder darin herumspringen und nach Ostereiern suchen, dann geht die Empfindung tief hinab, beschenkt zu sein, inmitten eines Wunders zu leben.

In Gedanken habe ich in den vergangenen Tagen jenen Kirchen Vorwürfe gemacht, die Ostern für meine Begriffe nicht wirklich thematisieren. Ja, Ostern bringt unsere Zeit in Verlegenheit mit seinen mythologischen Gehalten. Ich will mich nicht darüber aufhalten. Ich dachte, sie können es gar nicht verstehen: Auferstehung, Ostern. Weiss ich es denn?

Früher hätte ich es an den Traditionen hergeleitet. Das Bild ist verständlich von der Apokalyptik her und diese von der altorientalischen Lebenswelt. Aber feiern wir Ostern, weil Apokalyptik und Mysterienkulte einen Zyklus von Tod und Leben kennen? Feiern wir die Auferstehung, weil das Christentum für seine Feiern Anleihen bei diesen Kulten machte? Ist es nicht umgekehrt, dass da neues Leben ist und darum feiern wir Ostern? Ist es nicht eher so, dass unsere höchsten Hoffnungen sich erneuern, wo wir schon dem Tod ins Auge sahen, wo wir mit unserem Latein am Ende waren und wurden doch gerettet – und darum feiern wir die Auferstehung? Ist es nicht eher so, dass unter so viel schönen Erfahrungen unsere Hoffnungen sich neu beleben?

Ostern ohne weil
Ich muss also nicht Ostern «erklären» wollen, sonst könnte ich die Freude der Eltern an ihrem Kind erklären. Besser, ich führe alle Erfahrungen an, die Freude hervorrufen und nehme sie als Erfahrungen hier und jetzt, wo «jetzt schon» für uns etwas von Ostern erfahrbar ist. Als ob das Glück in kleiner Münze ausbezahlt würde, hier ein Stück und dort ein Stück, es reicht für jeden Tag.

Was macht Freude über alles hinaus, was ich machen kann?

Dass die Sonne aufgeht.
Dass der Mond im Abendhimmel steht.
Dass die Kohlmeise am Abend ihre zwei Töne singt – ist es ein Quintabstand? – und die Erinnerung durchfährt mich wie ein Schreck: dass der Frühling kommt! Dass die kalte, dunkle Zeit vorbei ist.
Ich denke an meine Familie und danke Gott in Gebeten.
Ich werde nicht fertig mit allem, was mich beschenkt. Der Überhang der Gnade ist unendlich.

So werden wir zu Dankenden. So werden wir zu Menschen, die etwas ahnen von Ostern. Aber noch lieber bleibe ich dumm, sperre mein Maul auf und staune. Noch lieber lasse ich mich von Ostern überwältigen, als es klein zu machen, indem ich es in eine Erklärung presse.

 

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