Gott ohne Christus?

Bei vielen Anlässen, auch in der Kirche, habe ich mit Menschen zu tun, die zwar eine Beziehung zu Gott haben, aber nicht zu Jesus Christus. Eigentlich ist Christus nicht schwer zu vermitteln, wenn wir auf uns selber hören. Alles in uns strömt ihm entgegen – das Evangelium ist wie die Antwort zu den Fragen, die wir in uns selber tragen.

 

Wer mit Jesus Christus lebt, für den ist es ein Geschenk, er kann sich sein Leben nicht anders vorstellen. Da ist ein „Du“, das er ansprechen kann, ein Name für sein Vertrauen, ein Ort, wo er hingehen kann, eine Quelle, wo er immer wieder Freude und neue Kraft findet. Andere haben damit Mühe. Sie suchen nach Gott, finden ihn in der Natur, aber Jesus Christus bleib ihnen fern.

Ein Mensch als Gott?
Und die Vorstellung ist für sie ganz unvorstellbar, dass ein Mensch als Gott angesprochen wird oder dass Gott in einem Menschen zu uns gekommen sein soll. Bei vielen Anlässen, auch in der Kirche, habe ich mit Menschen zu tun, die zwar eine Beziehung zu Gott haben, aber nicht zu Jesus Christus. Eigentlich ist Christus nicht schwer zu vermitteln, wenn wir nur auf uns selber hören. Alles in uns strömt ihm entgegen, das Evangelium ist wie die Antwort auf die Fragen, die wir in uns tragen. Die Dankbarkeit ist vielleicht das erste, wo wir etwas von ihm ahnen.

Aber auch die Bitte öffnet einen Weg zu ihm. In der Gesellschaft, in der Natur, da hören wir immer wieder von Menschen, die auf der Strecke bleiben. Der Wettbewerb funktioniert über die Stärke und die Natur über die Auslese. Der einzelne interessiert nicht. Aber gerade am einzelnen ist Christus interessiert. Er opfert ihn nicht für das Grosse. Er ist der Hirte, der nach dem einen Schaf Ausschau hält, das verloren ist. Und er lässt die 99 stehen und ruht nicht, bis er das eine gefunden hat.

Gott am Rand
Gerade die Ausgestossenen haben es ihm angetan, die Kleinen und Verachteten. So isst er mit den Sündern, er trinkt mit den Verstossenen, berührt die Kranken, er sucht die Ansteckenden, die aus der Stadt verbannt wurden und bei den Gräbern wohnen, als Lebendige bei den Toten. Und alle staunen, denn er handelt wie einer, der Vollmacht hat.

Und wenn ein Mensch sich selber hintan stellt, sich nicht mehr getraut, zu ihm zu kommen, weil er immer nur erfahren hat, dass er nichts wert ist und nicht zählt in den Augen der Welt, dann geht Christus auf ihn zu und sagt (wie zu Zachäus, der auf den Baum geklettert ist): „Komm herab, denn bei dir muss ich heute zu Gaste sein!“ Und wenn die Umstehenden murren, dass dieser doch nicht würdig sei, so sagt er: „Der Sohn des Menschen ist gekommen, um das Verlorene zu suchen und zu retten. (Lk 19) „Gott hat seinen Sohn nicht in die Welt gesandt, damit er die Welt richte, sondern damit die Welt durch ihn gerettet werde.“ (Joh 3,17)

Gegen den Zynismus
Wer fühlt sich bei solchen Worten nicht erkannt? Wo sind unsere Ahnungen besser aufgehoben als bei ihm? Wird hier nicht alles übertroffen, was wir von uns ausdenken und hoffen können?

Hier dürfen wir festhalten an unserer Intuition von Gerechtigkeit – und dass jedem Menschen eine unverlierbare Würde zukommt.

Das Evangelium rettet uns vor Zynismus. Wir müssen nicht anfangen, mit den Wölfen zu heulen. Hier dürfen wir unsere Werte leben, statt uns zu den Spöttern zu gesellen. Hier dürfen wir vertrauen. So finden wir immer wieder den Mut und die Freude, uns zu engagieren, statt der Welt ihren Lauf zu lassen.

Das Ja im Nein
Jesus Christus – er hat von sich nie als von einem „Gott“ gesprochen. Er war der unterste von allen. Gerade darum haben die Menschen begriffen, dass hier von Gott die Rede ist. Denn der, der alles trägt, das ist der unterste von allen.

Darum sagt der Apostel Paulus: „Er hat sich selbst entäussert, er war wie ein Knecht, er war gehorsam bis zum Tod, ja bis zum Tod am Kreuz. Darum hat ihn Gott über alle Massen erhöht und ihm einen Namen geschenkt, der über jeden Namen ist, damit in dem Namen Jesu sich beuge jedes Knie derer, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und jede Zunge bekenne, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.“

 

Aus Notizen 2005
Bild: Christus zieht Petrus aus dem Wasser