Glück, Zufall, Gott?

Gestern haben wir den Film «Coup de Chance» gesehen von Woody Allen. Es ist eine Antwort auf seinen früheren Film «Match Point» und nimmt das Thema von Zufall und Glück wieder auf. Dort schlägt es zugunsten des Gauners aus, jetzt zu seinen Ungunsten. Der Mörder fängt sich in der Falle, die er andern zugedacht hat.

Moralische Weltordnung?
Klar, dass das mehr Befriedigung verschafft. Ist die moralische Weltordnung also wieder hergestellt? Woody Allen wird nicht müde, Zufall und Glück hervorzuheben, da ist kein Geheimnis, das über den menschlichen Schicksalen am Werk wäre. Man wohnt in den liberalen Denk-Gefilden der Moderne wie in seinem Wohnbezirk in Paris oder New York. Um die Ecke ist der Laden, ein paar Strassen weiter das Restaurant mit der Jazzmusik, die man liebt. Man hat sich gut eingerichtet. Und gegen grössere Infragestellungen ist man abgefedert durch Wohlstand und den Zufall der Geburt, der einen auf die richtige Seite von Reich und Arm gestellt hat in der globalen Chancenverteilung.

Zufall oder Glück?
So könnte er durchaus behaglich leben. Andererseits wollte er sein Leben offenbar doch nicht mit einer Weltsicht beenden, wo der Gauner obsiegt und nichts dagegenspricht als Zufall oder Glück. So nimmt er die Frage auch positiv auf. Er befragt das Wort «Glück». Er nimmt es nicht nur als Abwehr von überzogenen Gottesvorstellungen, sondern auch als Zuspruch, der etwas zu bedeuten hat. Die Wahrscheinlichkeit, dass du geboren wirst, ist eins zu 500 Billionen (etwas in dieser Grössenordnung). Du bist ein höchst unwahrscheinlicher Zufall. So heisst es an einer Stelle.

Gott?
Vielleicht ist das die grösstmögliche Annäherung an die alte Aussage von Gnade und Vorsehung, die unter den Bedingungen dieser Form des Atheismus möglich ist. Es ist keine Wiederherstellung des Gottesbegriffs, aber es lässt die alte Leerstelle schmerzlich empfinden und tröstet sich mit dem Abdruck, den sie in der Kultur und in der Psyche der Menschen hinterlassen hat. So überlässt man sich doch nicht einer Weltsicht, der die Moral ganz egal wäre, was auch die Selbstachtung untergraben würde, «weil ja doch alles Zufall» ist.

«Coup de Chance » heisst der Film, der jetzt in den Kinos anläuft. Von der Filmhandlung her liesse sich das übersetzen als «Zufallstreffer», aber auch als «Glücksfall». So kann man sich verstehen als Produkt des Zufalls oder als ein Geschenk des Glücks. Mit der einen Version weist man Zumutungen des religiösen Denkens ab. Mit der andern tröstet man sich in der Leere seines Weltbilds.

Religion?
Ist das ein Zugang zur alten Religion? Es erinnert an die Ausgrabungen von Pompeji. Da ist alles antikes Umfeld, alles ist echt, wie damals. Aber das Leben findet sich nur in den Hohlformen, die es hinterlassen hat, in den Abdrücken, die Menschen und Dinge in der heissen Vulkanasche hinterlassen haben.

 

Foto von Anna Shvets, Pexels

Eine Besprechung des Films „Match Point“ von Woody Allen findet sich unter dem Titel «Zufall».