Der Weg des Helden

Der Taufweg für Erwachsene

Es gibt in unserem Leben so etwas wie einen „Regisseur“, der uns begleitet, der bei den grossen Wendepunkten die Weichen stellt. Wir spüren es und wir wissen, es ist nicht unsere Vernunft, die das macht. Und doch ist es auch in uns wirksam, an unserem Leben.

Vor über 50 Jahren hat ein Mythenforscher ein Buch geschrieben, das ihn berühmt machte. Er untersuchte die Überlieferungen vieler Völker und fand dabei ein Muster, das sich immer wiederholte. Ganz gleich, wie die äusseren Umstände dieser Völker waren: wenn es um den inneren Weg der Menschen ging, fanden sie immer wieder dasselbe Muster.

Es glich einem Weg mit drei Stationen. Und wer diesen Weg ging, dem half es bei der Bewältigung seiner Fragen, auch wenn diese im Alltag der verschiedenen Völker ganz unterschiedlich waren. Dieses Muster fand er auch in den Träumen von modernen Menschen wieder, die sich selbst als unreligiös bezeichneten. Er nahm daher an, dass dieses Muster wesentlich zum Menschen gehört und gab seiner Studie den Titel „Ein Held in tausend Gesichtern.“

Es ging nicht lang, da wurde Hollywood auf diesen Wissenschaftler, er hiess Joseph Campbell, aufmerksam. Denn wenn es so etwas gibt wie ein inneres Drama des Menschenlebens, dann war das wie das Drehbuch für erfolgreiche Geschichten. Dann musste man nur einige Töne anschlagen, und aus dem Innern der Menschen kam die Resonanz dazu. So sind Filme entstanden, die ein Millionen-Publikum gefangen nahmen (z.B. die „Star Wars“-Serie von George Lucas).

Aufbrechen
Aber was ist der „Weg des Helden“, den Joseph Campbell beschreibt? Was ist dieser innere Weg, der in uns Menschen angelegt ist, und was hat er mit der Taufe zu tun?

Campbell beschreibt drei wesentliche Aufgaben auf diesem Weg. Das sind Aufbruch, Initiation und Rückkehr.

Der Aufbruch, der erste Akt im Drama des menschlichen Lebens, ist der Weg ins Neue, das Zurücklassen des Alten. Das Alte kann eine Lebensphase sein, z.B. die Kindheit, aus der man herauswächst, oder eine Lebenshaltung, die kein Wachstum mehr erlaubt. Der Aufbruch beinhaltet eine Aufgabe, die ein Mensch vor sich sieht und annimmt. Damit der Mensch einer solchen Aufgabe entsprechen kann, erfordert dieser äussere Weg auch eine innere Wandlung – diese zwei Seiten sind immer miteinander verbunden.

Initiation
Durch die „Initiation“, den zweiten von Campbell beschriebenen Akt, soll der Mensch eine bessere Basis bekommen, auf der er stehen kann, eine grössere Art, sich und die Wirklichkeit zu begreifen, eine neue Weise, wie er handeln und reagieren kann. Initiation heisst wörtlich „Einführung“. Diese kann man nicht einfach machen, man kann sich aber dafür öffnen oder verschliessen. Voraussetzung für eine erfolgreiche Initiation ist, dass man den ersten Akt, den Aufbruch, wirklich vollzogen hat.

Die eingelernten Methoden der Lebensbewältigung loszulassen, löst auch viele Ängste aus. Darum erzählen all diese Geschichten auch vom Widerstand, den die Menschen in dieser Phase empfinden: Sie möchten lieber im alten Leben bleiben (wie sehr sie darunter auch leiden) als in das Neue hineinzugehen (wie sehr sie es auch ersehnen). Trotz dieses Widerstandes auf eine Kraft zu vertrauen, die grösser ist als ich selbst, ist auch ein Glaubensakt. Wie sehr kann ich mein Leben der Sorge Gottes anvertrauen?

Das ist nichts anderes als der Schritt, wie ein Mensch zum Glauben kommt. Und hier liegt auch der Bezug zur Taufe. In der Taufe lässt ein Mensch sein altes Leben zurück. Symbolisch geschieht das, indem er das alte Kleid auszieht und sich im Wasser untertaucht. In der Taufe wird ihm ein neues Leben geschenkt. Er lernt neu auf sich und sein Leben zu sehen. Er vertraut nicht mehr nur auf sich, sondern hat Vertrauen gewonnen, dass Gott sein Leben will und ihn trägt, und er übergibt sich dieser Führung.

Alltag
Der Weg des Helden, wie Campbell ihn beschreibt, entspricht dem Weg der Taufe. Auch hier finden wir die drei Akte. In der alten Kirche hiess der erste Akt „separatio“ – der Aufbruch aus dem alten Leben. Dann kam die „initiatio“, die Geburt des neuen Lebens aus dem Vertrauen zu Gott. Der dritte Akt hiess „ordinatio“, Campbell nennt ihn „Rückkehr“. Beide Male ist dasselbe gemeint: Religion soll nicht Selbstzweck sein, das eigentliche Ziel sind nicht die religiösen Gefühle. Ziel ist, dass das Leben richtig gelebt wird. Darum kehrt der, der den Grund gefunden hat, zurück in seinen Alltag. Und mit dem, was er gefunden hat, gelingt es ihm jetzt, sich der Aufgabe zu stellen.

Der Weg, den das Leben geht, wenn es wachsen und ans Ziel kommen soll, erscheint hier in einer Abfolge von drei Akten. Immer wieder gibt es im Leben einen Aufbruch. Das ist keine Aufgabe, die ein für alle Mal gelöst wäre. Das Leben bleibt ja nie stehen. Immer wieder müssen wir aus dem Alten auswandern, und das gelingt uns nur im Vertrauen, dass wir getragen und gehalten sind. Dann können wir vertrauensvoll auf die Aufgaben zugehen, die vor uns stehen.

 

Aus Notizen 2005
Foto Wendy Wei pexels

Beachten Sie das Streiflicht
Worte sind oft kraftlos gegen die Macht eingeschliffener Erfahrungen. Gegen den Sog traumatischer Erlebnisse können sie wenig ausrichten. Schon die Antike hat darum Körper-Erfahrungen eingesetzt. In rituellen Feiern wurde das Körper-Gedächtnis geprägt, damit die dort gelernte Haltung auf dem Lebensweg helfen konnte.

Damit verkündete die Feier nicht nur die Möglichkeit eines anderen Lebens, sie half auch dabei, das in der Feier Gehörte umzusetzen. Diese Praxis hat sich auch die antike Kirche zunutze gemacht. Aus ihrer Feier der Sakramente lässt sich vieles lernen. Sakramente werden heute in manchen Kirchen unterschätzt. Manchenorts kennt man die Tradition nicht mehr und verschenkt ein Mittel, das Körpertherapien dafür im säkularen Raum wiederentdecken. Beachten Sie das Streiflicht «Auf der Suche nach dem wirkmächtigen Zeichen» auf der Menüleiste des Blogs.