Adventskalender – von aussen betrachtet

In vielen Haushalten mit Kindern hängt er wieder, der Adventskalender. Er ist noch ungeöffnet. 25 Türen hat er, 25 Schritte sind es bis zu Weihnachten. Das weckt die Vorfreude. Was im 25. Törchen erscheint, ist schon bekannt, aber der Weg dazu, das ist noch offen. Das Ziel, auf das alles hinstrebt, das wissen wir schon, aber nicht, was uns auf dem Weg erwartet.

Das Bild, wenn ich das 25. Törchen öffne, zeigt den Stall von Bethlehem: Da sind Ochs und Esel, Maria und Josef und das Kind. Irgendwann wächst man daraus hinaus, irgendwann will man als Kind keinen Adventskalender mehr und wünscht sich anderes. Als Erwachsener habe ich wieder neu hinsehen gelernt. Und das Ziel ist für mich nicht mehr nur niedlich. Irgendwann, als Erwachsener, habe ich das Bild vom 25. Törchen lieben gelernt und es ist mir zu einer täglichen Übung geworden, mir dieses Bild vor Augen zu halten, im Austausch zu den Bildern, die sich mir aufdrängen, kaum dass ich am Morgen erwacht bin.

Da sind dunkle Bilder. Sie stammen aus meinem persönlichen Leben, da geht es um Versagen und Ablehnung oder um Verlassensein, was immer die Psyche aus ihrem Fundus hervorkramt, wenn einen die Mutlosigkeit überkommt. Diese Bilder stammen aber auch aus unserer Zeit, was wir alle teilen. Da sind die Nachrichten von Krieg und Flüchtlingselend, von Artensterben und Klimawandel. Der Katalog schreibt sich fast von selber fort, kaum hat man damit angefangen.

Das 25. Törchen gibt mir ein anderes Bild, wie es ist, wenn mein Leben ans Ziel kommt, ein anderes Bild für das Schicksal dieser Welt: Da ist nicht das Dunkel, das „Loch“, auf das alles zuzusteuern scheint. Wenn ich am Morgen aufwache, legt sich das wie ein dunkler Schatten auf meine Psyche.

Nein, am Ende ist Licht und der Tunnel öffnet sich. Am Ende ist dieser Stall, zu dem alle unterwegs sind: Hirten und Könige, Kinder und Erwachsene – alle, die noch ihrer Sehnsucht trauen und die hinter all dem Prosaischen ihres Alltags noch das Geheimnis spüren.

Denn diese Welt, die haben wir nicht selbst gemacht. Das Leben, das haben nicht wir angezettelt. Und es geht nicht um Physik und Astronomie und Biologie und was sie alles über den Ursprung der Welt zu erzählen haben. Es geht um das Vertrauen, das wir in uns spüren. Um die Freude am Leben, die sich fortpflanzt. Um die Intuition von Recht und Gerechtigkeit, die gerade dort hell aufstrahlt, wo sie mit Füssen getreten wird. – Davon erzählt der Karfreitag, aber jetzt geht es auf Weihnachten zu. Da wird erzählt, wie Gott in die Welt kommt, wie Gott zu mir kommt, zu Dir, wie er ins Dunkle eingeht und es wird Licht, wie am Anfang der Schöpfung, als er sein „Es werde!“ sprach.

Am Ende des Weges ist dieses Kind, das mir zulächelt. Das ist das Bild unter dem 25. Törchen. Und damit wird der Adventskalender zu einer universellen Wegbeschreibung. Er zeigt, wohin der Weg geht und er holt uns dort ab, wo wir stehen, mit unserer Sehnsucht, dass das Leben ganz werde und Menschen in Frieden beieinander wohnen.