Aufräumen vor dem Fest

Ich möchte eine Geschichte erzählen. Sie handelt von einem Menschen, der eines Morgens einen Brief erhält. Ein Gast meldet sich zu Besuch an. Und als er auf das Datum schaut, ist es schon auf diesen Abend.

Um Gottes willen, denkt er, so schnell? Ich bin gar noch nicht bereit. Und wie sieht es hier aus? Das Zimmer mit dem Gästebett, die Küche, die Stube – das ganze Haus muss in Ordnung gebracht werden. Schnell beginnt er aufzuräumen. Da liegen Kleider herum, da Schuhe – er wollte doch mal einen Schuhschrank installieren. Die Kinderzimmer sind ein Thema für sich. Die Wände wollte er schon lange mal „abeputze“. Der Boden muss feucht aufgenommen werden…

Hätte ich nur früher damit angefangen, denkt er. Hilft nichts. Die Fenster müssen auch noch gereinigt werden, im Garten ist einiges zu tun. Er arbeitet und arbeitet und schliesslich wird es Mittag. Erschöpft sinkt er auf einen Stuhl, er muss eine Pause einlegen. Ich bin ja kaum vorwärts gekommen, denkt er. Das schaffe ich nie! Ich muss auch noch Essen kochen, einkaufen, mich umziehen… Panik ergreift ihn und er sieht sich nach Hilfe um: Ob ihm vielleicht jemand aus der Nachbarschaft helfen könnte?

Aber diese haben selber viel zu tun. Enttäuscht nimmt er die Arbeit wieder auf. Da sieht er plötzlich durch sein ganzes Chaos einen andern Menschen, der mit anpackt und ihm hilft. Hat also doch ein Nachbar seinen Hilferuf gehört? Beide schuften pausenlos, kommen aber nur langsam voran. Das schaffen wir nie, sagt der Hausherr. Doch, wir schaffen das, sagt der andere.

Als es dunkel wird, sind die beiden fertig. Sie decken noch den Tisch. Dann sagt der Hausherr: Jetzt kann der Gast kommen! –

Ich bin doch schon da, sagt der andere. Und beide sitzen an den Tisch und feiern.

War das jetzt mein Leben?
Eine „schöne Geschichte!“ – Sie wird in Gang gebracht durch die Ankündigung, dass ein Gast kommt. Und plötzlich erschrickt der Mensch, der besucht wird. Er sieht sein Leben wie von aussen und er geniert sich. Ich kann mich so gar nicht vorzeigen! Da, wo ich stehe, da wollte ich gar nicht hin mit meinem Leben. Aber immer ist etwas dazwischen gekommen, immer hiess es: Es geht nicht. Und schliesslich habe ich mich eingerichtet in diesem Noch-Nicht und Geht-Nicht. Ich habe aufgeschoben, was ich selber wollte, bis ich es vergass. – Ist das jetzt mein Leben gewesen?

Der Mensch erschrickt und will aufräumen in seinem Leben. Aber die Zeit läuft ihm davon. Panik ergreift ihn. So arbeitet er sich ab und fühlt sich ohnmächtig. Er spürt eine Verantwortung, als ob er sein Leben gestalten sollte, und kriegt es doch nicht in den Griff.

Da kommt doch noch eine Hilfe und gemeinsam geht es. Am Abend ist die Arbeit getan, jetzt kann der Gast kommen. – Aber er war ja schon da:  der Gast ist der Helfer, der Helfer ist der Gast.

Es ist eine Adventsgeschichte. So wie diesem Menschen geht es allen Menschen. Wir alle haben wohl Pläne, haben Vorstellungen, wie es werden soll im Leben. Aber wir haben nicht alles im Griff.

Im Beruf, in der Familie – es hat sich nicht immer so gefügt, wie wir es wollten. Für die Kinder hatten wir Pläne, aber sie haben andere Wege eingeschlagen. Eine Beziehung, die uns wichtig war, ist auseinander gegangen. Auch Krankheit haben wir kennen gelernt. Und Menschen, die uns wichtig waren, sind gestorben.

Wir haben es uns wirklich nicht ausgesucht, wie es gekommen ist. Wir hätten es oft anders gewollt.

Auf Gott warten
Sollen wir so auf Gott warten, wie der Mensch in dieser Geschichte? Soll der Besucher unser Leben sehen: all das, was angefangen ist und nicht fertig? – Das fällt uns schwer.

Aber es kommt ganz anders! Die Geschichte hat einen völlig unerwarteten Ausgang:

Der Gott, auf den wir warten, ist schon da.
Er kommt nicht und schaut mit unbarmherzigen Augen.
Er sieht wohl, was uns fehlt, aber er hilft. Er packt mit an.
Er schaut mit uns an, was nicht gut war und hilft.
Gewisse Dinge schmerzen, wenn wir sie ansehen. Er ist bei uns. In seiner Gegenwart können wir hinsehen. Und auch das wird gut.
So räumen wir auf, das ganze Haus. Und wir steigen in den Keller hinunter, in den Estrich hinauf.

Und wir schaffen es: das Haus wird bereit. Der Gast kann kommen.
Und er ist schon da. Gott ist schon da. Er war es die ganze Zeit – auch damals, als wir dachten wir seien ganz allein,
als wir uns einsam fühlten und uns von den Aufgaben fast erdrückt fühlten.
Er war immer da, auch wenn wir ihn nicht gesehen haben.
Er hat uns begleitet, hat uns über schwierige Momente hinweggeholfen.
Und so wird er es auch in Zukunft tun.
So dass rechtzeitig alles bereit ist. Dass wir hineingehen können zum Fest.
Und dann wird alles gut. Weil er uns hilft.

Wie es der Psalm 23 sagt: Du wandelst meine Tage in Glück und Gnade, und ich bleibe in Deinem Haus ein Leben lang.

 

Aus einer Andacht, 7. Dezember 2007, nach einer Geschichte von Willi Hoffsümmer