Das Gute im Widerstand

Sollte auch der Widerstand zu etwas nütze sein? Wäre das nicht verlorene Liebesmüh, wenn wir wieder und wieder an einer Frage scheitern? Lässt sich noch etwas lernen, was der Erfolg uns nicht beibringen kann? Werden wir hier vielleicht noch danke sagen, wo wir so oft schon verzweifeln wollten?

An der Grenze
Jakob steht an einer Grenze, da stellt sich ihm einer in den Weg, er kämpft mit ihm. Auf die Frage, wer er sei, gibt er keine Antwort.

„Jakob stand auf in der Nacht und nahm seine beiden Frauen und die beiden Mägde und seine elf Söhne und zog an die Furt des Jabbok, nahm sie und führte sie über das Wasser, so dass hinüberkam, was er hatte, und blieb allein zurück. Da rang ein Mann mit ihm, bis die Morgenröte anbrach.“

„Und als er sah, dass er ihn nicht übermochte, schlug er ihn auf das Gelenk seiner Hüfte, und das Gelenk der Hüfte Jakobs wurde über dem Ringen mit ihm verrenkt. Und er sprach: Lass mich gehen, denn die Morgenröte bricht an. Aber Jakob antwortete: Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn.“ (Gen. 32,22ff)

Manchmal haben wir zu kämpfen. Was sich uns in den Weg stellt, will seinen Namen nicht sagen. Wir wissen nicht, ob Freund, ob Feind. Es ist das Unbekannte, worauf unser Leben zugeht, das Ungewisse und wir müssen so lange damit kämpfen, bis es uns den Segen erteilt.

Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn
Hinterher sehen wir dann: Was sich in unserem Leben als gut erweist, kann sich zuerst im Widerstand bemerkbar machen. Das Richtige ist nicht immer das Bequeme. Oft braucht es einen grossen Aufwand von unserer Seite, einen langen Anweg, bis wir bereit sind für das Neue, das ansteht.

Auf dem Weg sollen wir das Vertrauen nicht aufgeben, sagt die Geschichte. Wir sollen so lange mit der Frage ringen, bis sie ihr Geheimnis preis gibt: dass wir auf einem guten Weg sind, und dass auch das, was uns jetzt so schwer fällt, uns schliesslich zum Guten dienen muss.

Der Dämon
In der theologischen Literatur gibt es lange Abhandlungen, ob das ein Dämon sei, der sich Jakob in den Weg stellt. Und man verweist auf Parallelen bei vielen andern Völkern, wo ein Flussdämon die Grenze bewacht. Jakob hat die Frage für sich entschieden: er kämpft so lange mit dieser Macht, bis sie ihr gutes Gesicht zeigt. „Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn!“ Er findet Gott da drin.

Gott als Gegenspieler
Das sind eigentlich zwei Dinge in dieser Geschichte: da ist einmal die Erfahrung, dass sich das Gute auch im Widerstand ankündigen kann, dass sich Gott nicht nur im Beistand bemerkbar macht, sondern manchmal auch im Widerstand, den er uns entgegensetzt.

Dann ist aber noch etwas anderes da drin: Jakob traut Gott etwas zu, gegen allen Anschein. Er sagt „Herr“ zu ihm, er traut ihm zu, dass er ihn auf dem Weg begleiten kann. Er traut ihm zu, dass er Meister ist über das Leben und auch über sein Leben. So kann er schliesslich über den Fluss gehen und die Grenze hinter sich lassen: weil er Gott sein Leben anvertraut. So muss ihm alles zum Guten dienen.

 

Aus Notizen 2010
Foto von cottonbro