Ein Omega über Europa

Gewitter, Regen – das war das Wetter den ganzen Juli über und auch jetzt im August. Zuerst lag lange ein stabiles „Omega“ über Mitteleuropa, das uns Regen und Überschwemmungen brachte, während in Mittelschweden die Wälder brannten. Jetzt ist „blödes Wetter“, wie ein TV-Meteorologe sagte, weil es schwer vorhersagbar ist, labil, mal so, mal so, aber eher heiss, regnerisch mit Gewittern.

Schwüle Stimmung
Es herrscht eine schwüle Stimmung auch in der Politik. Die USA greifen wieder im Irak ein und bombardieren Stellungen der Freischärler-Truppe „Islamischer Staat“ mittels Drohnen. Ist das ein Signal, dass die Lähmung der Politik, die die Welt im syrischen Bürgerkrieg zum Zuschauer machte, überwunden sei? In der Wirtschaft ist Ruhe eingekehrt, auch wenn sich im Windschatten der Aufmerksamkeit Dinge abspielen, die man sich früher kaum vorzustellen wagte. Grossbanken werden von lokalen US-Gerichten zu Busszahlungen von Dutzenden von Milliarden Franken verurteilt, und sie zahlen es, um sich von Anklagen freizukaufen.

Es ist ein heisser Nachmittag. Ich trage die Katze zum alten Garten, damit sie nicht den ganzen Tag in der Wohnung eingesperrt ist. (Ums Haus darf sie sich nach Hausordnung nicht bewegen.) Was soll ich denken? Was ist die Bilanz von all dem für mein Gefühl und für mein Dasein in dieser Welt?

Untergangsgefühle in den Medien
Höre ich auf die Medien, so gibt es seit einiger Zeit ein „Doom-Gefühl“, wonach alles bachab geht. Man feiert 100 Jahre Ausbruch des Ersten Weltkriegs und sucht nach Parallelen. Man ist nicht sicher, wie lange diese Zivilisation noch anhält. Zu deutlich ist, wie verwundbar sie ist. Neben der Klimakrise und Instabilitäten in Wirtschaft, Politik und Gesellschaft (es scheint alles unsteuerbar geworden und zwanghaft einem Ziel zuzuströmen, wie Wasser, das aus einer Badewanne gurgelt) ist jetzt auch eine neue Seuche ausgebrochen und die zuständige UNO- Fachstelle erklärt sie für „ausser Kontrolle“.

Die Seuche
Die Pharmaziefirmen haben keine Abwehrstoffe gegen Ebola entwickelt, weil der bisher betroffene Markt Afrika finanziell nicht attraktiv ist. Die Staaten haben versagt oder hatten kein Geld, um einzuspringen. NGOs wie „Ärzte ohne Grenzen“ sind vor Ort, die medizinische, westliche Vorgehensweise mit Isolation, Desinfektion etc. wird aber von der örtlichen Bevölkerung abgelehnt, weil es einen Keil treibt zwischen die sozialen Interaktionen bei Krankenbetreuung und Beerdigung (Berührungsverbot).

Misstrauen gegenüber dem Westen
Ausserdem herrscht seit dem Kolonialismus und Neo-Kolonialismus ein ungeheures Misstrauen gegenüber dem Westen und alle seine Einmischungen. Die Ärzte und Schwestern werden beschuldigt, die Krankheit, die sie bekämpfen wollen, absichtlich eingeschleppt zu haben, um Afrika zu schwächen oder auszubeuten, um ihnen die Organe oder die Kinder zu stehlen. Der „Islamismus“ ist mit diesem Wort wohl schlecht bezeichnet. Es ist ein anti-westlicher Kulturkampf, der in ehemals islamischen Ländern auf diese Traditionen zurückgreift. Denn alles, was die Welt und die Wirklichkeit zeigen, wird als faul und verdorben erlebt, man muss bis ins Mittelalter zurückgreifen, um eine nicht-korrupte Kultur zu finden.

Eine andere Geschichte
Der Zeitgeist huldigt dem Endgefühl. Man kann aber auch eine andere Geschichte erzählen. Wenn ich heute lebte, wie früher als Kind, so würde ich auf alles zugehen. Es wäre unbelastet von allem, was über den Augenblick und den Tag hinausginge. Es wäre ein blauer Himmel – so blau, wie er in meiner Kindheit war. Damals wusste ich nichts von Auschwitz und Atombomben, von Gaskrieg und Millionen Toten. Ich habe gespielt oder mich gelangweilt, bis ich etwas fand, dem ich mich hingeben konnte.

Auch die heutige Welt kann Gegenwart werden, die Gegenwart hat einen „zweiten Eingang“, nicht nur von der Kindheit her, sondern auch vom jetzigen Augenblick. Das ist wie das „Wurmloch“ der Astronomen, wo weit entfernte Welten verbunden werden und die Zeit aufgehoben scheint. Ich kann mich in die Gegenwart stellen wie als Kind. Dann ist der Himmel offen und Gott ist über mir. Noch ist da ein ganzer Schatz der Welt, der sich auftun kann. Noch ist alles da, was die Welt geben kann an Glück und Leid. Alle Schönheit und alles Staunen. Und ein Weg tut sich auf, mitten in der Wüste, und er führt durch Wasser und Feuer hindurch.

Ein Weg tut sich auf
Gott lässt sich finden – in der Gegenwart. Und es ist wieder wie damals, in der Kinderzeit. Der Zug ist nicht abgefahren, auch für Ältere nicht. In jedem Moment ist er „da“, wenn wir uns aufschliessen für ihn. Das hilft uns dann auch, unsre Verantwortung wahrzunehmen.

 

Aus Notizen 2014
Foto von Paweł Fijałkowski, pexels