Gott suchen

Das Fest

Die Bibel erzählt von einem Fest in Jerusalem. Die Priester bereiteten alles vor. Sie bringen Gott Opfer dar. Sie denken: Wie kann ich vor Gott hinstehen? Ich habe vieles falsch gemacht. Es gibt Aufgaben, die ich noch nicht gelöst habe in meinem Leben. Ich spüre, wie viel ich Gott schuldig bin! – Da betete der König für sie und sprach: „Der Herr, der gütig ist, wolle gnädig sein allen, die ihr Herz darauf richten, Gott zu suchen.“ Und der Herr erhörte den König und vergab dem Volk.

Träume und Gefühle
Der Sommer hat seine eigenen Erinnerungen. Manchmal steigt auch eine Sehnsucht auf und wir spüren, dass wir etwas vermissen im Leben. Und wir fragen uns, ob das auch einmal Wirklichkeit werden wird in unserem Leben? Und manchmal, nachts, haben wir Träume, die uns auch nach dem Aufwachen noch beschäftigen. Wir sind zurückversetzt in eine frühere Zeit unseres Lebens, vielleicht ist es eine Prüfung, die wir noch mal machen sollen. Oder der alte Lehrmeister taucht im Traum wieder auf.

Der Traum erinnert uns, dass es immer noch Aufgaben gibt im Leben, die wir noch nicht erledigt haben. Wir konnten es früher nicht, immer stand etwas anderes davor. Oder wir haben es uns nicht zugetraut. Aber jetzt kommt der Sommer und erinnert uns daran. Jetzt wäre die Zeit dafür, alles reift auf dem Feld!

So ging es auch dem Volk in der Bibel. Sie waren auf dem Weg zu einem Fest. Die einen waren bereit für das Fest und freuten sich darauf. Sie hatten keinen Zweifel, dass sie dazugehören, sie strömten zum Tempel. Andere waren nicht bereit und wussten es nicht einmal, dass ihnen etwas fehlt. Wieder andere spürten es, aber sie wussten nicht, wie sie hineingehen sollten zu dem Tempel und zu dem Fest. – Dürfen sie dazugehören?

Da betete der König für sie und sprach: „Der Herr, der gütig ist, wolle gnädig sein allen, die ihr Herz darauf richten, Gott zu suchen. Und der Herr erhörte den König und vergab dem Volk.“

«Der Herr wolle gnädig sein allen, die ihr Herz darauf richten, Gott zu suchen.»

Gott suchen, heisst es da. Es ist nicht verlangt, dass wir am Ziel sind. Es ist nicht verlangt, dass wir schon vollkommen sind. Wir sollen zu ihm kommen.

Aber etwas ist doch unerwartet an dieser Antwort. Es heisst nicht, wir sollen unser Ziel verfolgen. Es heisst nicht, wir sollen das suchen, was uns als Ziel vorschwebt im Leben. Es heisst, wir sollen Gott suchen:

Allen, die ihr Herz darauf richten, Gott zu suchen, will er gnädig sein. –

Das ist unerwartet. Wir meinen immer, wir wissen, was uns fehlt. Das suchen wir. Davon fühlen wir uns abhängig. Wenn das mal erreicht wäre, so fühlen wir, dann hätten wir ein anderes Leben. Das war uns immer klar, wir wussten nur nicht, wie wir jenes Ziel erreichen sollten. Und jetzt diese Auskunft: “Du musst gar nicht deinem Ziel nachrennen, hör auf! Da ist ein anderes Ziel: Such Gott! Das ist dein Ziel, das andere erhältst du dann wie von selbst!“

Das ist, als ob man uns einen Pfeilbogen in die Hand gäbe und sagte: Schiess am Ziel vorbei. Gerade so triffst du ins Schwarze! –

Aber hier sind gar nicht unsere Hände angesprochen. Das Herz sollen wir zu Hilfe nehmen: Allen, die ihr Herz darauf richten, Gott zu suchen, will er gnädig sein.

Auch die Füsse tragen einen nicht zu diesem Ziel, dass man einfach dahin gehen könnte. Es ist uns nicht in die Hände gelegt, dass wir es einfach anpacken und machen könnten. – Wenn das so wäre, hätten wir es ja schon lange gefunden im Leben! Nicht einmal der Kopf ist angesprochen, dass wir darüber nachgrübeln sollen. Das haben wir ja auch erlebt: Manchmal sind wir nächtelang wach gelegen und haben über unseren Fragen gebrütet. Es hat nichts gebracht. Nein, das Herz ist angesprochen. Wir sollen es auf Gott richten, dass wir ihn suchen.

Wie macht man das: Gott suchen?

Gott suchen: das ist für mich, wie auf einen Berg zugehen.
Ich lasse die alten Ziele fahren und sage mir jetzt: Er ist das Ziel für meinen Weg.

Ich muss das Ziel für meinen Lebensweg nicht machen – es ist schon da. Ich muss nur darauf zugehen. Und jetzt sehe ich: Schon der Weg ist schön. Es ist nicht mehr wir früher die Riesen-Anstrengung, die doch nie an ein Ziel kommt. Und ich bleibe erschöpft zurück. Jetzt ist es wie bei einer Wanderung. Da freut man sich schon vorher, bevor man aufbricht. Am Vorabend packt man alles zusammen. Und am Morgen geht es los, in aller Frühe. Es ist schön, so loszuziehen! Ein Versprechen liegt in der Luft.

Und schliesslich komme ich dort an. Aber das ist mir jetzt nicht so wichtig. Ich sehe den Berg, ich gehe darauf zu. Mit dem ersten Schritt bin ich in seiner Landschaft. Und die Quelle am Berg, sie kommt mir als Bach entgegen. Links und rechts blüht es auf. Ich bin mitten in seinem Garten. Das Ziel ist schon da, auf jedem Schritt. Gott ist da, in jedem Augenblick. Das wird mir bewusst, wenn ich auf ihn zugehe. Wenn ich mein Herz auf ihn ausrichte. –

Das Volk in der Bibel ist auf dem Weg zu einem Fest. Gott richtet es an, dieses Fest. Gott lädt dazu ein. Auch mich lädt er ein und uns, wir alle sind eingeladen zu diesem Fest. Und er sagt: Mich sollt ihr suchen, dann findet ihr auch das andere, was euch fehlt.

Ich habe das falsch verstanden. Ich dachte: Erst muss ich dies erledigen und jenes erreichen. Dann ist mein Leben am Ziel. Dann gehöre auch ich dazu. Jetzt sehe ich, es ist umgekehrt: Ich darf glauben und vertrauen, dass das Ziel auch mir zugesagt ist. So beruhigt sich die Angst, die mein Leben plagt. Und eine grosse Ruhe zieht ein.

Und plötzlich habe ich Zeit, wo ich früher immer weiter rennen musste, plötzlich kann ich „da“ sein für meine Kinder und habe nicht schon wieder etwas Wichtiges, was mich von ihnen abzieht. Plötzlich kann ich die Menschen wahrnehmen, die mir begegnen. Und jetzt sehe ich den Weg, den ich gehen kann. Ich bin schon mitten drin.
Christus spricht: Wahrlich, ich sage euch: Wer glaubt, der hat das ewige Leben.

 

Aus Notizen 2012
Bild Hokusai, The lake of Hakone in the Segami province