Freude an der Kirche

Die Kirche ist in die Defensive geraten. Und schlechte Stimmung macht sich breit. Immer wieder wird vorgerechnet, wie viele Menschen ihr den Rücken kehren. Kirchengebäude werden umgenutzt. Gemeinden werden fusioniert.

Ihren Höchststand an Mitgliedern hatte die Kirche nach dem Friedensschluss des 30jährigen Krieges, als konfessionell geschlossene Gebiete mit einer Pflicht-Mitgliedschaft entstanden. Die folgenden Jahrhunderte brachten die Religions- und Niederlassungs-Freiheit. Zu einem Aderlass führte das aber erst in den letzten Jahrzehnten, als die wirtschaftliche Entwicklung die Bevölkerung in Bewegung brachte. So häuften sich die Austritte und die etablierten Landeskirchen gerieten durch die Zuwanderung in die Minderheit.

Unter den Bedingungen einer Dienstleistungs-Kirche mit freier Zugehörigkeit kann die alte 100%-Abdeckung nicht erhalten werden. Das schafft kein Dienstleister, nicht mal die Post. Es ist also falsch zu sagen: der Kirche laufen die Schäfchen davon. Sie waren nicht aufgrund von freier Wahl dabei. Hier geschieht der Umbau von einer hoheitlichen Territorial-Kirche zu einer Kirche mit freier Zugehörigkeit.

Wer sich vom Herkommen befreien will, tritt aus. Für Kirchenliebhaber stellt sich die Frage, warum sie drin sind. Das kann man nur ganz persönlich beantworten. Für mich ist es das Resultat eines jahrzehntelangen Suchprozesses. So habe ich mir das Herkommen, das ich im Kulturwandel verloren hatte, wieder angeeignet. Auf diesem Weg zur Kirche hin kam mir der ganze Menschen-Strom entgegen, der die Kirche verlässt. Aber es gibt auch viele Suchende wie mich, die die Kirche umkreisen und ihre Nähe suchen. Suchen ist eine ganz andere Haltung als verteidigen. Regiert hier die Angst vor Verlust, ist es dort die Freude über das Gefundene.

So könnte sich die Kirche in der heutigen Zeit positionieren: nicht als Verteidigerin eines Bestandes aus dem 17. Jahrhundert, sondern als Gemeinschaft von Menschen, die berührt sind von der biblischen Botschaft und die eine Glaubensfreude miteinander teilen. Das erfordert eine Änderung der Blickrichtung. Nicht einen Besitzstand wahren, wo es doch keinen Besitz geben kann, sondern von „Null“ ausgehen und die Freude spüren, dass sich auf diesem Weg alles findet, was wir brauchen.

Aus Notizen 2012