Vom Sommer zum Herbst

Nach dem Gewitter ist es kühler geworden. Die Hitzewelle ist vorbei. Im Quartier ist es an diesem Morgen noch ruhig. Die „Pöstler“ drehen ihre Runden. Ab und zu fährt ein Mann aus einer Tiefgarage zur Arbeit. Die wenigen Passanten grüssen sich. Viele Kinder sind auf dem Weg.

Es ist der zweite Schultag. Vor mir gehen zwei kleine Mädchen mit dem gelben „Chindsgi“-Streifen. Ein grösseres Schwesterchen begleitet sie. Sie halten sich bei den Händen. Hintendran läuft ein Bub. In einem Garten stehen hohe Sonnenblumen. Ein Aufatmen nach der grossen Hitze.

Wie viele schöne Begegnungen auf einem einzigen Weg! Wie freundlich zeigt sich das Leben an jeder Ecke! Im Sommer hatten wieder die Wälder gebrannt. Dürre in den Kornkammern der Welt liess die Getreidepreise steigen. In anderen Ländern gab es Überschwemmungen. Ich war wie hypnotisiert von den Warnungen zur Klima-Veränderung. Man kann auch zu wenig zur Kenntnis nehmen, was da auf uns zukommt. Man kann sich dumm stellen und das Tun verpassen. Wenn wir dem Ungeheuer aber immer nur in den Rachen starren, lähmt es uns. Es zerstört die Lebensfreude. Es katapultiert uns in die Wüste, wie den Reisenden in „Tausend und einer Nacht“: eben noch geht er in einer belebten Stadt, und plötzlich steht er in der Einöde. Und da ist nichts als Heulen und Zähneklappern.

Als die alten Israeliten in der Wüste unterwegs sind, schicken sie Kundschafter voraus. Die Bibel erzählt davon. Sie sollen auskundschaften, wie das Land wohl ist, wohin das Volk unterwegs ist.

Auf dem Weg in die Zukunft
Nach 40 Tagen kommen sie zurück. Sie erzählen von schrecklichen Riesen, die das Land bewohnen. Und das Volk erschrickt. Sie wollen lieber umkehren in die Wüste, lieber zurück nach Ägypten in die Sklaverei, als vorwärts zu gehen. Und Gott straft sie für ihr fehlendes Vertrauen. Erst die nächste Generation soll ins gelobte Land kommen. Denn ein gelobtes Land gibt es, jenseits der Wüste. Davon erzählt die Traube, die die Kundschafter mitgebracht haben. Auch sie ist riesengross. Sie ist gross genug, es reicht fürs Leben. Es gibt eine Lebensmöglichkeit für das Volk.

Und als das Volk über den Grenzfluss geht, gibt Gott dem Josua, dem Nachfolger Moses, seinen Segen: „Wie ich mit Moses gewesen bin, so will ich auch mit dir sein. Ich will dich nicht verlassen noch von dir weichen. Sei getrost und unverzagt.“ So gibt es auch für die nächste Generation ein Leben.

Auf meinem Weg durch das Quartier begegnen mir die ersten Jogger. Es wird belebter auf den Strassen. Dort steht das Häuschen der alten Witwe, die kürzlich gestorben ist. Baugespanne erheben sich, doppelt so hoch als das Häuschen war. Auch der Garten verschwindet. Eine Strasse weiter ist noch ein schöner Garten. Alles grünt und blüht und glitzert im Regen, der in der Nacht gefallen ist. Der Regen brachte eine Abkühlung nach der langen Hitzewelle. Es tut der Seele gut.

Aus Notizen 2012