Einnisten in die Welt

Ich bin nachts jetzt oft aufgeregt, kann nicht schlafen. Ich habe die „Deckung“ verlassen, bin zum Handeln übergegangen, zum Zeigen (bekennen) und zum Tun. Ich folge dem, was ich für wahr halte.

Ist Wirklichkeit etwas, was wir passiv wahrnehmen? Wenn wir doch ein Teil sind davon! Sie antwortet auf unser Tun, gibt Antwort auf unser Denken und Hoffen.

„Einnisten“ in die Welt
Unsere Kultur, all unser Denken und Tun, ist eine Art „Einnisten“ in die Welt, so wie die befruchtete Eizelle sich einnistet in der Wand der Gebärmutter. Es ist nicht nur so, dass wir uns die Welt zurechtlegen würden, und sie bleibt objektiv und unbeeinflusst. Es ist eher so wie bei einem Kleinkind, das eben auf die Welt gekommen ist. Es scheint hilflos und doch kann es alles steuern, es zeigt den Eltern, was es braucht. Und die ganze Welt um das Kind herum reagiert auf es und gibt ihm was es braucht.

Einnisten
Wir nisten uns ein in die Welt und so gibt sie uns Antwort auf unsere Fragen. So wird sie zu einem „Du“, an dem unser „Ich“ wachsen und sich entwickeln kann. So findet unsere Sehnsucht ein Ziel, alles, was in uns angelegt ist, eine Entsprechung. So wird die Welt zu einem Ort, wo wir uns nach unsren tiefsten Intuitionen verhalten können.

Der „innere Pilot“, wenn wir uns auf ihn verlassen, führt uns auch im Äusseren zuverlässig. Weil beide schon vor Urzeiten aufeinander abgestimmt sind. (Wie lange dauert es, bis wir wieder auf den inneren Piloten vertrauen lernen! Wie lang dauert es, bis wir jene Erziehung durch die Angsterlebnisse überwunden haben! Wie friedvoll und schön ist es, wenn wir wieder zu dieser inneren Stimme zurückfinden! Ein Gefühl des Ankommens mitten im Leben. Als ob das Ziel der Zeit schon jetzt gegenwärtig wäre. Als ob die Mitte in jedem Augenblick zu finden wäre. Wie ein Einstimmen in einen grossen Klang, der das Weltall seit seinem Beginn durchströmt.)

Versöhnung
Es ist alles vor uns da und wird nach uns da sein. Es ist nicht unser Feind, ihr Name in der Tradition ist Gnade. Sie schwingt im Gleichklang mit unseren innersten Intuitionen. Vertrauen wir lieber dieser inneren Stimme. Und wenn sie undeutlich ist, dann finden wir sie im Evangelium, in den Erzählungen von Jesus Christus. Er ist von Gott her in die Welt gekommen. Er lebt unter uns. Er geht durch unsere Städte und Dörfer, durch unsere Kulturen und durch unsere Wüsten. Und wo er hinkommt, bringen die Menschen ihm ihre Kranken, damit er sie heile.

Und der Blinde am Weg ruft ihn. Und er stellt ihn in die Mitte und fragt: Was willst du, dass ich dir tue? – Dass ich wieder sehe! – Glaubst du, dass ich das tun kann? – Ja, Herr, ich glaube! – Steh auf und folge mir nach! Und er bückt sich zu denen, die am Wegrand liegen und richtet sie auf. Und selbst den Aussätzigen berührt er, damit niemand aus der Gemeinschaft hinausfalle, denn dazu ist er in die Welt gekommen, um sie zu retten, nicht zu verurteilen. So eilt er selbst dem hundertsten Schaf noch nach, wenn es verloren ist. Zuletzt legt er alles Gott zu Füssen, damit Gott alles in allem sei. Und nichts ist verloren.

Nichts ist verloren
Nichts ist verloren. Das Christentum ist keine tragische Weltanschauung. Es gibt keinen Konflikt, der am Ende noch bestehen kann. Das Christentum ist eine Erlösungsreligion. Es findet seine Antwort in der tiefen inneren Zustimmung, die wir in uns spüren. Nur so können wir uns selber annehmen, in all den Konflikten unseres Daseins. Nur so können wir uns selber integrieren, wachsen, uns versöhnen. Nur so führt unser Weg zu Dank, Frieden und Versöhnung.

 

Aus Notizen 2010
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