Besuch in einer Freikirche

Die Methodistische Kirche feiert ihr 150 Jahr-Jubiläum. Ich besuche den Gottesdienst. Wenn das so ist, wie John Wesley sagte, dass Methodisten keine besonderen Leute sind, einfach Christen, die sich von Gott bewegen lassen, dann bin ich auch ein Methodist.

Gleichzeitig bin ich Pfarrer in der Evangelisch-Reformierten Landes-Kirche. Und diese unterscheidet sich von der Methodistischen Kirche. So sitze ich hier und frage, was uns vereint und was uns trennt. Ich fühle mich angesprochen von der Glaubensfreude und freue mich, dass sie hier so im Zentrum stehen kann.

Die Territorialkirche
Die Reformierte Landeskirche als Gemeinschaft hat nicht zusammengefunden als Sammlung von Glaubenden. Sie verwaltet ein altes Erbe. Die Reformierte Kirche ist eine Territorialkirche, wie sie aus den Friedensschlüssen nach dem 30jährigen Krieg hervorgegangen ist. Aus diesen Kriegen gingen konfessionell geschlossene Gebiete hervor. „Cujus regio ejus religio“ – die Landesherrschaft bestimmt die Konfession ihrer Untertanen. Es kam zur Aufrichtung der landesherrlichen Kirchenhoheit, zur konfessionellen Homogenisierung der Bevölkerung. Es gab Vertreibungen, Umsiedlungen, Glaubensflüchtlinge. Andere wurden aufgenommen und angesiedelt.

Diese territoriale Abdeckung eines ganzen Gebiets mit einem Modell von Kirche-Sein hat viele Sprünge bekommen – durch die Etablierung der Religions- und Glaubensfreiheit in den Staats-Verfassungen seit dem 18. Jh., durch die Niederlassungsfreiheit und durch die wirtschaftlichen und sozialen Veränderungen nach dem 2. Weltkrieg, durch die zum ersten Mal wirklich grössere Bevölkerungsteile in Bewegung geraten sind und die konfessionell einheitliche Landkarte durchmischt haben.

Die Reformierte Landeskirche sucht heute, durch Struktur-Reformen diese Bewegungen aufzufangen. Sie ist aber immer noch dem Territorium verpflichtet, theologisch: dem Gedanken der Volkskirche. Sie ist keine Kirche der Herausgerufenen, keine Sammlung von Glaubenstreuen, kein „heiliger Rest“, der übrig geblieben ist.

Sie will aber immer noch „der Stadt Bestes“ suchen, gerade weil die Angehörigen sich heute – fast wie das alte Volk Israel im Exil – als Minderheit zu begreifen beginnen in einer fremden Umwelt, «in der Fremde» einer modernen Kultur und Gesellschaft, die sich ohne religiöse Kategorien begreift und organisiert.

Sie teilt mit dem Alten Testament das Bild vom „Volk Gottes“, das als Ganzes auf dem Weg ist, angesprochen von Gott, herausgeführt aus der Sklaverei in Ägypten, mit dem Ziel des gelobten Landes, des Gottes-Reiches, das universal zu denken ist. (Faktisch gibt es bei uns aber diese Individualisierung des Glaubens genauso wie hier bei den Methodisten.)

Die Glaubenssucher
Was mich freut am Gottesdienst bei den Methodisten ist die Glaubensfreude, die hier zu spüren ist und die aus dem Bezug zu Jesus Christus kommt. Lernen könnten wir davon, wieder vermehrt von dem auszugehen, was uns selber in die Kirche brachte.

Aus Notizen 2012