Asketen und Geniesser

Herrscher und Verweigerer

In den Herbstferien haben wir einen Ausflug nach Bamberg gemacht. Diese deutsche Stadt ist im Mittelalter gross geworden unter Bischöfen, die zugleich Fürsten waren. Prunkvolle Residenzen sind da zu sehen und ich fragte mich, wie das zusammen geht mit diesem Jesus von Nazareth, der in Bescheidenheit lebte. Wie war das möglich, in seinem Namen Herrschaft auszuüben und König- und Kaiserreiche zu errichten?

Heute wird dieser Jesus eher kleingeredet als „Wanderprediger“, der nie im Sinn gehabt habe, eine Kirche zu stiften oder Herrschaft anzustreben. Darin lebt noch der Reflex der bürgerlichen Gesellschaft, die sich gegen den Adel erhebt und alle Herrschaft ablehnt, die sich auf Tradition begründet.

Asketen und Geniesser
Beides hat das Christentum hervorgebracht: Asketen und Geniesser, Eremiten und Eroberer, Welt-Entsagung und Welt-Gestaltung. Was braucht es heute und was entspricht dem Evangelium?

Im Leben Jesu findet sich beides. Der Weg Jesu beginnt mit Weihnachten: Gott kommt in die Welt. Das Leben entfaltet sich. Im Glück ahnen die Menschen, wie das Leben gemeint ist und sie spüren etwas von Gott. Aber da gibt es auch den Karfreitag. Er steht für Verlust und Tod. Und es gibt Gräuel in der Geschichte, bei denen die Vorstellungskraft versagt. Hier findet der Glauben keine Stütze in der Erfahrung. Man muss gegen die Erfahrung anglauben: „Und es gibt dennoch ein gutes Geheimnis im Leben, auch wenn ich nichts davon spüre!“ Beim Kreuz bleibt das Evangelium aber nicht stehen. Gott sieht den Ermordeten, er holt ihn aus dem Grab, er stellt ihn ins Licht. Er lässt ihm Recht widerfahren. Und er erhöht ihn zu seiner Rechten. Am Ende der Zeit, so heisst es, wird er wiederkehren und Recht sprechen auf Erden. Dann beginnt das Reich des Friedens.

Die Welt erobern oder fliehen?
Hier ist Antwort auf die Frage, ob das Christentum die Welt fliehen oder erobern soll. Das Reich des Friedens, wie das Evangelium es zeigt, kommt von Gott her, nicht von Menschen. Es wächst nicht in der Geschichte, ist keine Folge des Fortschritts. Es kommt uns von der Zukunft her entgegen. So bleibt alles vorläufig, was wir Menschen tun. Es orientiert sich am Ideal, kann dieses aber nicht erreichen.

Wer Herrschaft ausübt im Namen Christi, der löst dieses Spannungsverhältnis auf nach der Seite der Herrlichkeit, die nach biblischem Zeugnis erst nach der Geschichte erscheint.
Wer immer nur in Sack und Asche geht und vergisst, die Welt nach christlichen Grundsätzen mitzugestalten, der löst das Spannungsverhältnis auf nach der Seite der Armut. Er bleibt stehen unter dem Kreuz und hört die Osterbotschaft nicht.

Christus schickt die Apostel an Pfingsten in die Welt. Diese ist mit der Botschaft nicht zu gewinnen. Wer es nicht versucht, wird dennoch schuldig, weil er sein Talent vergräbt. Christus, wenn er kommt, will sehen, was wir daraus gemacht haben.

Aus Notizen 2012
Bild Bamberg