„Dem Armen wird Hoffnung zuteil“

Wenn die Zeiten sich verschärfen, wächst auch eine Suche, was helfen kann. Früher forschten viele Menschen in der Bibel und wurden dort auch fündig. Sie ist immer wieder eine Fürsprecherin für Verfolgte und Bedrängte. Aus vielen Stellen liesse sich ein „soziales Evangelium“ zusammenstellen, aber die Bibel redet nicht nur in Einzeltexten, sie ist als Ganzes dem Volk verpflichtet, das Träger der Verheissung ist, dem sich Gott in Erbarmen und Gerechtigkeit zuwendet. Zu den sozial engagierten Texten gehört auch der Jakobus-Brief, der Mitte Oktober in den Kirchen gelesen wird.

Von diesem Brief sind v.a. zwei Dinge bekannt: Da ist die Stelle über die Heilung (die Ältesten sollen den Kranken die Hand auflegen) und die Stelle über die Wichtigkeit der Werke, was dem Apostel Paulus direkt zu widersprechen scheint und die Luther missbilligte, der den Werken misstraute und Glaube und Gnade betonte. Für ihn war der Jakobus-Brief daher eine „stroherne Epistel“.

Reiche und Arme
Wenig beachtet ist die Situation der Gemeinden in jener Zeit, die Jakobus in seinem Brief anspricht. Das Christentum war im 2. JH nicht nur eine Religion der Randständigen, wie früher in Korinth, wo Paulus das ja anspricht: „Schaut euch an, wenig Weise sind in euern Reihen, wenig Mächtige, wenig Vornehme nach Geburt, aber was vor der Welt verachtet ist, das hat Gott berufen.» (1. Kor 1,26ff) Inzwischen hat sich das Christentum ausgebreitet, auch Wohlhabende gehören dazu, Händler, Kaufleute, selbst Reiche.

Damit entstand ein sozialer Gegensatz in der Gemeinde. Wie damit umgehen? Da sind wirtschaftliche Gegensätze bis hin zur Sklaverei. Dort ist das Gebot der Bruderliebe und der gegenseitigen Hilfe. Darum betont Jakobus, es sei nicht genug, zu glauben. Der wahre Glaube zeige sich auch im Handeln. „Seid nicht nur Hörer des Wortes, sondern auch Täter“. Und er fährt fort:

„Wenn ein Bruder oder eine Schwester Mangel hätte an Kleidung und an der täglichen Nahrung und jemand unter euch spräche zu ihnen: Geht hin in Frieden, wärmt euch und sättigt euch, ihr gäbet ihnen aber nicht, was der Leib nötig hat – was könnte ihnen das helfen? So ist auch der Glaube, wenn er nicht Werke hat, tot in sich selber.“ (Jakobus 2,15ff)

Das Unrecht schreit
Jakobus kann sich auch drastisch ausdrücken. „Und nun, ihr Reichen: Weint und heult über das Elend, das über euch kommen wird. (…) Ihr habt euch Schätze gesammelt in diesen letzten Tagen! Siehe, der Lohn der Arbeiter, die euer Land abgeerntet haben, den ihr ihnen vorenthalten habt, der schreit, und das Rufen der Schnitter ist gekommen vor die Ohren des Herrn Zebaoth. Ihr habt geschlemmt auf Erden.“ (Jak 5,1ff)

Jakobus steht nicht allein in der Bibel. Viele Stimmen gibt es, die sich vereinen und so etwas wie ein soziales Evangelium bilden. Das folgt nicht aus dem speziellen Engagement von einzelnen Autoren, es ist Ausdruck der Heilsverheissung, die in der Bibel dem ganzen Volk gegeben ist und die nicht duldet, dass einer daraus verloren geht.

„Dem Armen wird Hoffnung zuteil“
Eindrücklich sind die Texte bei Hiob. «Warum bin ich nicht gestorben bei meiner Geburt? (…) Dort haben die Gottlosen aufgehört mit Toben; dort ruhen, die viel Mühe gehabt haben. Da haben die Gefangenen allesamt Frieden und hören nicht die Stimme des Treibers. Da sind Klein und Gross gleich und der Knecht ist frei von seinem Herrn.» (Hiob 3,11ff)

«Denn Frevel geht nicht aus der Erde hervor, und Unheil wächst nicht aus dem Acker; sondern der Mensch erzeugt sich selbst das Unheil, wie Funken hoch emporfliegen. Ich aber würde mich zu Gott wenden und meine Sache vor ihn bringen. (…) Er hilft dem Armen vom Schwert und den Elenden von der Hand des Mächtigen. Dem Armen wird Hoffnung zuteil, und die Bosheit muss ihren Mund zu halten.» (Hiob 5, 6ff)

«Die Nöte nehmen ein Ende»
In einer Zusammenstellung solcher Texte dürfte auch Jesus Sirach nicht fehlen:

„Das Flehen des Armen dringt durch die Wolken, es ruht nicht, bis es am Ziel ist. Es weicht nicht, bis Gott eingreift und Recht schafft. (…) Er ist ja der Gott des Rechts. Bei ihm gibt es keine Begünstigung.

Er ist nicht parteiisch gegen den Armen, das Flehen des Bedrängten hört er. Er missachtet nicht das Schreien der Waise und der Witwe, die viel zu klagen hat. Rinnt nicht die Träne über die Wange und klagt nicht Seufzen gegen den, der sie verursacht? Denn von der Wange steigt sie zum Himmel empor; der Herr achtet darauf und es missfällt ihm.

Die Nöte des Unterdrückten nehmen ein Ende, das Schreien des Elenden verstummt. Das Flehen des Armen dringt durch die Wolken. Es weicht nicht, bis Gott eingreift und Recht schafft als gerechter Richter.“ (Jesus Sirach 34f)

So erinnert der Jakobus-Brief, der Mitte Oktober im Gottesdienst gelesen wird, nicht nur an das Heilen, dass die Ältesten die Hand auflegen sollen, sondern auch an die sozialen Nöte der Menschen, die der Kirche anempfohlen sind.

 

Foto von christine roy, pexels
Nach Notizen 2013