Ankommen

Leben heisst anfangen, immer wieder neu. Jeden Tag nehmen wir den Faden wieder auf, den wir am Vortag abgelegt haben. Immer wieder kommt ein neuer Abschnitt, Kindheit, Jugend, Erwachsenenleben… Es gibt keinen Stillstand. So wächst das Leben und wird stark. Doch manchmal sehnen wir uns danach, anzukommen.

Nicht nach einem Ende sehnen wir uns, sondern nach einem Ankommen – so, dass Offenes abgeschlossen und Angefangenes beendet wird. Missverständnisse werden geklärt und wir sind im Frieden mit den Menschen und mit uns selbst.

Geklärt oder nur vorbei?
Aber wie viel von unserem Leben ist noch offen! Es gibt Dinge, die sind nur vorbei, aber nicht wirklich zu einem guten Ende geführt. Es gibt Hoffnungen, die noch ausstehen. Manchmal fühlen wir die Kraft nicht mehr, um noch einmal anzufangen.

Gibt der Glaube da Hoffnung? Christus ist barmherzig, aber auch er sagt: „Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr, als dass ein Reicher ins Reich Gottes eingeht.“ Da sind hohe, scheinbar unerfüllbare Forderungen.

Das Nadelöhr
„Nadelöhr“, so hiess eine enge Pforte, die in die Stadt Jerusalem hineinführte. Nur Schlanke kamen da durch. Mit Gepäck oder mit beladenen Kamelen war es nicht zu machen. Man musste Besitz zurücklassen, um da hindurch zu gehen.

Am Sonntag feiern wir „Palm-Sonntag“. Christus zieht durch die Tore Jerusalems ein. Bei seinem Einzug singen die Menschen den Psalm 118:

„Tue mir auf die Tore der Gerechtigkeit, dass ich durch sie einziehe, um dem Herrn zu danken. Das ist das Tor, da die Gerechten einziehen dürfen. Ich danke dir, dass du mich erhört hast und mir zum Retter geworden bist.“

Die Freude von Palmsonntag
Das ist es. An diesem Text machen wir eine Entdeckung: Der Palm-Sonntag ist auch unser Einzug in Jerusalem! Mit Christus kommen auch wir ans Ziel. Nicht weil wir gerecht wären und aus unserem Verdienst, sondern weil er ergänzt, was uns fehlt. Weil er neu macht, was verdorben ist. Das ist der Sinn und die Freude von Palm-Sonntag: dass wir Resignation und Verzweiflung abwerfen und alle Hoffnungen wieder hervorholen dürfen. Auch wir sind gemeint! Auch unser Leben kommt ans Ziel!

Im Palm-Sonntag, da wird beschreiben, wie es uns geht. Da erkennen wir uns wieder mit unseren Nöten, da ist die Antwort, die wir schon lange suchen. Da ist endlich die Auflösung für unser Lebensrätsel, für all das, was weh getan hat, für all das, was schön war. Hier erkennt sich auch unsere Sehnsucht wieder: Ja, das ist es, was wir mit all unserem Leben gewollt haben!

„Tut mir auf die Tore der Gerechtigkeit, dass ich durch sie einziehe und dem Herrn danke. Das ist das Tor des Herrn; die Gerechten werden dort einziehen. Ich danke dir, dass du mich erhört hast und hast mir geholfen. Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, ist zum Eckstein geworden. Das ist vom Herrn geschehen und ist ein Wunder vor unseren Augen. Dies ist der Tag, den der Herr macht; lasst uns freuen und fröhlich an ihm sein.“ (aus Ps 118)

 

Aus Notizen 21. März 2002
Vor Pessach wird das sog. Hallel gesungen, der Lobgesang. Das sind die Psalmen 113 – 118. Markus erwähnt das auch in seiner Erzählung von der Passion Jesu (Mk 14,26). Das Hallel ist somit auch ein Interpretament für die Passion Jesu.
Bild: Einzug in Jerusalem, Meister der Palastkapelle in Palermo, um 1150.