Zwei Gärten – oder einer?

Christus betet im Garten Gethsemane. Botticelli hat das Bild gemalt. Ein Engel reicht ihm den Kelch. Unten sieht man die Jünger, die schlafen. Es ist ein Bild der Passions-Geschichte, aber er hat dieses Bild kombiniert mit dem Motiv des „hortus conclusus“. Der Garten ist eine Felsplatte, über den Rest erhoben. Und er ist von einem Gartenhag umgeben.

So teilt sich der Eindruck von Frieden und Freude aus dem einen Motiv dem andern Motiv mit, das sonst Entsetzen wachruft.

Es ist das Schlimmst-Mögliche, was die Phantasie eines Menschen sich vorstellen kann. Aber gerade hier, in deinen Albträumen, wenn das Dunkelste dich einholt, da kannst du durch die Tür gehen, da kannst du in den Garten eintreten, da kannst du dich vor Gott stellen. Da kannst du in der Mitte verweilen. Da kannst du Frieden finden und Freude bei deinem Gott!

Frieden im grössten Schrecken
Botticelli, der das Bild malte, hat etwas Ungewöhnliches gemacht. Er hat für den Garten in Gethsemane das Bild vom umschlossenen Garten gewählt. In der Malerei ist das der „hortus conclusus“. Dieses Bild steht für die Intimität der Begegnung zwischen Gott und Mensch. Abgeschirmt von Dornen blühen die Rosen im Garten. Geschützt von Mauern blüht der Reichtum im Inneren. So wie es aufblüht im Menschen, in der Begegnung mit Gott.

Es ist wie der innerste Seelen-Kern. Der Ort, wo wir uns noch erinnern an Gott, und wo wir eine grosse Sehnsucht nach ihm tragen. Ein Paradiesort vom Anfang, ein Sehnsuchtsbild für das Ziel des Lebens, wenn alles wieder vereint ist, was getrennt wurde und auseinandergerissen. Wenn der Mensch wieder bei Gott und Gott beim Menschen ist.

Dieses Bild des Friedens kombiniert der Maler jetzt mit dem Schreckensbild, wo Jesus verfolgt wird und um sein Leben fürchtet! Christus sagt: „Meine Seele ist zu Tode bekümmert.“ – Und ausgerechnet jetzt erinnert er an die Geborgenheit, die er erfahren hat im Vertrauen zu Gott.

Was ist wohl stärker: der Schrecken, den das Bild von Gethsemane verbreitet? Oder der Friede, der vom Bild des Gartens ausgeht?

„Alles ist Dir möglich“, sagt Christus. „Lass diesen Kelch an mir vorübergehen! Doch nicht was ich will, sondern was Du willst!“ (Mk 14,36) –

Nicht das, was ich will. Das ist keine Resignation. Das ist nicht Verzweiflung. Es ist Vertrauen! Er gibt sich hin an diesen Gott. Er vertraut ihm, auch in dieser dunklen Stunde. Er glaubt, dass Gott gute Gedanken für ihn hat und dass er ihn den richtigen Weg führt.

Das Vertrauen, das wir in uns tragen – wir dürfen es auch dorthin tragen, wo unsere grössten Sorgen sind. Der Friede – er ist gewachsen im Innern, dort wo wir im Gespräch sind mit Gott in unseren Gebeten – wir dürfen ihn auch dort hintragen, wo wir Widerstände spüren, wo die Angst uns lähmt.

Der Garten geht mit
Die Dornen schützen den Garten. Die Mauern schützen das Heiligste, was wir kennen. So konnten wir uns früher öffnen für das Vertrauen und für das Leben. Weil wir wussten, dass das Innerste und Kostbarste geschützt und bewahrt wurde.

Jetzt erfahren wir: Gott selber ist da. Er ist mit uns auf dem Weg. So dürfen wir ihm alles hingeben, müssen nichts mehr zurückhalten. Wir wissen und vertrauen: Er schützt und bewahrt es, wie es richtig ist.

So dürfen wir hinausgehen, auf das Stück Leben, das vor uns liegt. Und wir dürfen die Geborgenheit dieses Schutzes mitnehmen auf den Weg. Denn Er ist mit uns.

 

Aus Notizen 2014
Bild Botticelli