Machen, Tun und Schauen

Etwas herstellen, erzeugen, das ist ein menschliches Verhalten, das die Wirtschaft und das ganze Leben prägt. Die Antike stellte daneben das Handeln, ein Verhalten, das nicht auf Herstellen aus ist, aber auf Lebensvollzug. Das Grösste im Leben, das wird aber nicht hergestellt, das liegt ausserhalb der Grenzen des menschlichen Handelns. Das können wir nur schauen, so sagte einst Aristoteles.

Er nannte die drei Verhaltensweisen Techne, Praxis und Theoria. Sie haben die europäische Kultur geprägt, wenn sich der Sinn seither auch sehr verändert hat. Was «Theoria» heisst, das wird heute von den Wissenschaften interpretiert. In der Bibel gibt es noch eine andere Antwort darauf. Christus zeigt es in einem mystischen Bild.

Ein mystisches Bild
Das Bild zeigt einen Baum, dessen Wurzel weit hinabreicht, weit hinab bis zu einem Ort, wo fester Halt ist, bis zum Ursprung der Welt. Dort verwurzelt, kann ihn nichts erschüttern, denn er ist angeschlossen an die Quelle, aus der alles fliesst. Über dieser Wurzel erhebt sich der Stamm. Mächtig wächst er empor und trägt seine Krone dem Himmel entgegen.

Jedes Jahr treibt er aus und bringt Früchte hervor. Jedes Jahr blüht der Baum von neuem, jedes Jahr, jede Generation. Auch heute blüht er wieder, in der Gegenwart. Wir, die wir heute leben, sind der Trieb für diesen Frühling. Aber so hoch der Stamm auch ist, so alt der Baum der Schöpfung auch geworden ist, wir sind durch die Wurzel verbunden mit dem Ursprung, wir sind angeschlossen an die Quelle aus der alles fliesst. Wir sind gehalten und können alles finden, was wir brauchen.

Der Baum braucht auch uns. Wie soll er weiter wachsen, wenn die Blüte ausfällt? Wie geht es weiter, wenn die Frucht ausbleibt? Darum sagt Christus: „Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht. Darin wird mein Vater verherrlicht, dass ihr viel Frucht bringt und werdet meine Jünger.“ (Joh 15)

Grenzen des Managements
Dieses Bild, wenn wir es im Alltag meditieren, kann unser Vertrauen stärken im Leben. Es kann uns Trost geben, wenn wir traurig sind. Aber es ist auch eine konkrete Hilfe. Und zwar für die Aufgaben in unserem Leben, die wir nicht einfach in der Hand haben und managen können: woher wir kommen, wohin wir gehen, wer wir sind. Wir Menschen haben uns nicht selber erschaffen, wir halten die Grundlagen unseres Daseins nicht in unseren eigenen Händen. Wir sind abhängig, oder positiv ausgedrückt: wir sind getragen und sind Teil von etwas, das viel grösser ist als wir.

All diese Fragen um Tod und Leben und um den Sinn des Lebens, die können wir nicht beantworten, indem wir uns selber Ziele setzen, sondern nur, indem wir uns aus dem Ganzen verstehen, in dem wir leben. Wir sind nicht frei, was wir uns vornehmen, weil wir nicht alles Mögliche verwirklichen können. Es ist nicht wie bei der Arbeit, bei der Produktion von Dingen, wo der Phantasie kaum Grenzen gesetzt sind.

Unser eigenes Leben können wir nicht modellieren wie ein Werkstück auf der Werkbank. Und trotzdem gibt es auch in diesem Bereich ein sinnvolles Verhalten. Die Bibel nimmt als Bild nicht die Arbeit, nicht das Herstellen, sondern das Bild des Baumes. Leben kann gelingen oder misslingen, es kann ganz sein oder zerbrechen. Und das, was hilft, das wird ausgesagt im Frucht-Bringen:

Frucht bringen
Dann gelingt das Leben, dann blüht es auf, auch in unserem Dasein, wenn wir uns anschliessen an die Quelle, die alles nährt. Dann gelingt es, wenn wir uns verbinden lassen mit der Wurzel, die aus dem Ursprung des Lebens bis zu uns herüber wirkt. Dann gelingt uns ein ganz neues Verhalten, wenn wir uns tragen lassen von dem Stamm, und uns zur Verfügung stellen für das, was geschehen muss. Dann fliesst es, es blüht auf eine Weise, die man nicht berechnen kann, weil es auch nicht aus dem berechnenden Willen kommt. Dann trägt es Frucht.

Das ist die Botschaft vom Sonntag Jubilate: eine Hilfe für das Leben, ein Bild, wie das aussehen kann, ein neues Geschöpf zu sein in Christus – eingepflanzt in diesen Lebensbaum, angeschlossen an die Wurzel, verbunden mit der Quelle, getragen von dem Stamm, so dass es Frucht bringt.

 

Zum Sonntag Jubilate