Der wunderbare Tausch

Zum Karfreitag 2018

Die Passionszeit erscheint uns manchmal wie ein Berg, wo wir hinaufsteigen müssen.
Und zuoberst steht der Satz: „Nimm dein Kreuz auf dich und folge mir nach!

Das ist ein Satz, der weit ins Land leuchtet, wie das Kreuz, das oben auf dem Berge steht. Und es schreckt ab, der Wanderer möchte lieber unten vorbei gehen!

Und doch ist es Evangelium, es hat die Kraft, dass wir im Innersten getröstet werden.

Ein anderer Satz: „Kommt her zu mir alle, die ihr mühselig und beladen seid; ich will euch erquicken.“ Und Christus fährt fort: „Nehmt mein Joch auf euch und lernt von mir; denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig; so werdet ihr Ruhe finden für eure Seelen. Denn mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.“ (Mt, 11,28f)

Dieser Text ist voller Zuspruch. Christus will uns eine Last abnehmen und neue Kraft geben. Gleichzeitig zeigt Christus uns ein Joch, das wir auf uns nehmen sollen. Ein Joch, das ist er Querbalken, den man den Zugtieren über den Nacken legt, damit man sie anspannen kann. Es ist ein Bild vom Tragen, vom Mittragen. Aber Christus sagt: „Mein Joch ist sanft, und meine Last ist leicht.“

Der Tausch
Christus schlägt uns einen Tausch vor: Die Last, die wir herumtragen, sollen wir ablegen und ihm geben, dafür wird er uns eine andere Last auflegen, aber diese Last ist leicht. Christus möchte, dass wir die Sorge um unser Leben ihm übergeben. Im Tausch sollen wir dafür die Sorge um ihn übernehmen, die Sorge um das Evangelium.

„Evangelium“, das heisst zum Beispiel: „Einer trage des andern Last!“ oder: „Was ihr einem dieser meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan!“

Wir sollen tauschen: die Sorge um unser Leben gegen die Sorge um andere.

Wir sollen uns lösen von uns selber und den Gedanken, die immer um dasselbe kreisen. All das sollen wir auf ihn werfen. So werden wir frei. Wir können uns lösen aus dem Gefängnis unserer Sorgen. Und dann sehen wir wieder, was um uns herum ist.

Wir sehen die andern Menschen und was sie bewegt. Wir können ihnen in die Augen sehen und auf sie zugehen, wir können Anteil nehmen, am Leben teilnehmen.

Der Fürst
Vor langer Zeit gab ein Fürst einmal ein grosses Fest. Und alle Würdenträger wurden eingeladen. Als der Zeitpunkt da war, kamen die Gäste. In prunkvollen Kutschen fuhren sie vor dem Palaste auf. Aber da zogen am Himmel dunkle Wolken auf und es begann zu regnen. Vor dem Tor bildeten sich grosse Pfützen. Ein vornehmer Gast, der eben aus dem Wagen stieg, glitt aus und fiel in die Wasserlache. Von oben bis unten war er beschmutzt. Andere Gäste, lachten und machten hinter vorgehaltener Hand spöttische Bemerkungen. Unmöglich, hier zu bleiben oder zu dem Fest hineinzugehen.

Der Fürst, von einem Diener alarmiert, traf seinen Gast gerade noch, als er abfahren will. Er bittet ihn, zu bleiben. Aber der andere will nichts hören. Der Fürst redet ihm zu – aber nichts will helfen. – Als er so gar nichts ausrichten kann, lässt sich der Fürst mit seinem Staatsgewand, mit seiner Ehrenkette, mit dem ganzen Prunk seiner Würde-Stellung der Länge nach in die Pfütze fallen, wo auch der Gast zuvor gelegen hatte. Er nimmt den Gast bei der Hand und führt ihn mit sich ins Haus. Schmutzig wie sie beide sind, gehen in den Fest-Saal. Und jetzt wagt keiner mehr, eine Bemerkung zu machen.

Die Pfütze, in die Christus fiel
Die Geschichte berichtet in verhüllter Form von Jesus Christus. Er ist es, der uns entgegen kommt. Er ist es, der uns die Hand reicht. Er ist es, der ganz zu uns herabkommt und sich auch nicht scheut, wenn da eine Pfütze ist.

Die andern mögen lachen, er lässt sich selber in die Pfütze fallen. Er ist sich nicht zu gut dazu, auch wenn er von Gott her kommt. Er teilt das Leben mit uns, steht nicht über unseren Sorgen, sondern fragt nach uns. Er geht zu den Armen, kommt zu den Kranken. Das Evangelium berichtet darüber. Immer wieder haben sie ihm Vorhaltungen gemacht. Das schickt sich doch nicht, mit Unreinen zu essen, das passt sich doch nicht, mit Zöllnern am Tisch zu sitzen, das kann doch nicht sein, dass er mit stadtbekannten Sündern verkehrt. Sogar einen Aussätzigen berührt er.

Er sagt: „Die Gesunden bedürfen des Arztes nicht, aber die Kranken.“ Oder: „Nicht darum hat Gott seinen Sohn in die Welt gesandt, damit er die Welt richte, sondern damit die Welt durch ihn gerettet werde.“ (Joh 3,17) „Der Sohn des Menschen ist gekommen, um das Verlorene zu suchen und zu retten.“ (Lk 19.10)

Er ist Der, der uns von Gott her entgegen kommt, um uns zu helfen.
Er weiss, was Recht ist. Er zeigt uns den Weg. Er führt uns und begleitet uns.
Mit ihm durchschreiten wir die Tür, die sonst verschlossen ist.
Mit ihm treten wir in den Saal, in den nur Ehrengäste geladen sind.
Mit ihm verweilen wir an dem Fest, das für alle angerichtet wird, die würdig sind:
Weil Er sie würdig gemacht hat.
Weil Er die Menschen kennt und nicht auf das Äussere sieht.
Weil Er ein Gott voller Liebe und Mitleiden ist. Er bringt seine Geschöpfe an das Ziel, das er für sie vorgesehen hat.

Das ist die Geschichte vom wunderbaren Tausch.
Wir tragen seine Last, die Sorge um das Evangelium. Er trägt unsere Last.
Wir können unser Leben nicht ans Ziel bringen, wir sind geboren, haben uns nicht selbst geschaffen. Das dürfen wir ihm übergeben. Wir dürfen uns ihm anvertrauen.
Dafür legt er uns seine Last auf: Einer trage des andern Last! Was ihr einem dieser meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan!

So ist Er unter uns gegenwärtig.
Das Zusammenleben verändert sich, wo wir darauf vertrauen. Es ist etwas spürbar vom Reich Gottes. Darum wollen auch wir diesen Tausch machen. Wir werfen die Sorge um unser Leben, die Angst ums Dasein, weg. Und nehmen diese Last auf uns, die Christus uns vorhält. Denn diese Last ist leicht und dieses Joch ist sanft.

Jetzt verstehen wir den Satz: „Wer sein Leben retten will, der wird es verlieren, wer es aber verliert um meinetwillen und um des Evangeliums willen, der wird es gewinnen.“ (Mk 8,35)

 

(Aus einer Andacht. Die Geschichte vom Fürsten ist mitgeteilt von Willi Hoffsümmer)