Warten auf Godot

1953 erschien das Theaterstück „Warten auf Godot“ von Samuel Beckett. Es hat seinen Autor berühmt gemacht und der Titel ist zu einer Redewendung geworden. „Warten auf Godot“ heisst dann so viel wie: auf etwas warten, das nicht kommt, und doch nicht loskommen davon. So warten wir und zweifeln, ob es das Erwartete überhaupt gibt, und bleiben diesem Warten doch verhaftet. Das schien wie eine Deutung des Menschen. Das Stück ist berühmt geworden über die Leserschaft hinaus. Sogar die amerikanische Trickfilm-Serie „Die Simpsons“ zitiert es und Kinder hören es heute im Vorabend-Programm.

„Warten auf Godot“ heisst es 1953, nach dem zweiten Weltkrieg, der so viele Hoffnungen und Überzeugungen der Menschen zerstört hat. „Warten auf Gott“ heisst es im Advent. Die Menschen damals hatten kaum mehr die Kraft zum Glauben, aber Nicht-Glauben konnten sie auch nicht. Denn der Mensch kann gar nicht anders, als zu hoffen, weil er nicht aus sich selbst lebt. Der Mensch hat sich nicht selbst geschaffen, er hält die Bedingung seiner Existenz nie selber in der Hand. So kann er gar nicht anders, als sich auf ein Ausser-Sich beziehen, wenn er sich selber verstehen will. Er muss sich ins Benehmen setzen mit dem, was vor ihm da war, was seine Existenz trägt. Dort kann er die Quelle finden für sein Leben.

Wer das nicht kann aus Enttäuschung, wer es sich verbietet, auf einen Gott zu hoffen, weil er verzweifelt über das Leid der Welt, der kommt doch nicht davon los. Und er kreist um die Frage, wie Estragon und Wladimir in dem Stück. Sie warten, zweifeln und hören doch nicht auf, zu hoffen.

Eine ähnliche Geschichte gibt es in der Bibel. Dort wartet Johannes. Er sitzt im Gefängnis, er ist ein Bild des Menschen, der verstrickt ist in Fragen, die er selbst nicht lösen kann. Im Gefängnis hört er von Jesus, der Kranke heilt. Soll er glauben?

Soll der Mensch diesen Sprung tun und vertrauen, dass aus der Mitte aller Wirklichkeit jemand zu ihm kommt, und ihm Zuspruch bringt?

Er schickt seine Jünger zu Jesus und lässt ihn fragen: „Bist du es, der da kommen soll, oder sollen wir auf einen andern warten?“ Wäre es möglich, dass die tiefste Hoffnung, die wir in uns tragen, Wirklichkeit wird? Müssen wir nicht Angst haben, wieder enttäuscht zu werden? Es ist wie der Mensch, der von der Liebe verletzt wurde und der sich schwört: so will er sich nie mehr verletzen lassen. Lieber ohne Liebe leben!

„Jesus sprach zu ihnen: Geht hin und berichtet dem Johannes, was ihr hört und seht: Blinde werden sehend und Lahme gehen, Aussätzige werden rein und Taube hören, Tote werden auferweckt, und Armen wird die frohe Botschaft gebracht. Und selig ist, wer an mir keinen Anstoss nimmt.“

Glauben, vertrauen ist ein Risiko, auch in diesem Advent, auch in dieser Zeit unseres Lebens. Das Risiko nimmt niemand weg. Jeder geht es ein, der sich neu verliebt. „Selig ist, wer keinen Anstoss nimmt.“