Die Versöhnung mit dem, was ich nicht ausgesucht habe

Das Leben als Weg betrachten heisst: es als Aufgabe annehmen und auf ein Ziel hinsteuern. Das ändert das Gesicht von allem, was uns begegnet, es ist dann nichts mehr, was uns einfach widerfährt, es ist eine Aufgabe, es erhält eine Bedeutung von dem Ziel her, zu dem wir unterwegs sind.

Wir erleiden dann das Leben nicht einfach, wir gestalten es und nehmen es in eigene Verantwortung. Das klingt schön – aber wie sollen wir das verantworten, was wir gar nicht selber begonnen haben? Wie sollen wir das in die Hand nehmen, was sich gar nicht managen lässt? Wie ist es mit unserer Verantwortung bestellt bei jenen Dingen, denen wir ohnmächtig gegenüberstehen? Schon unser Herkommen, das Elternhaus, die Prägungen der Kindheit – das haben wir nicht ausgesucht. Oder die Gesundheit, die Schicksale, die es gibt – wie kann man da von Verantwortung reden?

Eine Haltung
Wir können sie nicht einfach verändern, aber wir sind doch nicht dazu verurteilt, sie einfach passiv zu erdulden. Wir können eine aktive Haltung dazu einnehmen. Statt vor ihnen zu fliehen, können wir uns umdrehen, ihnen ins Auge sehen – und sie annehmen. Das kann schmerzhaft sein: stillhalten, nicht davonlaufen, aushalten, und annehmen was ist.

Der Punkt
Und doch ist das der Punkt, wo sich alles wendet. Wenn sich im Leben etwas verknotet, wenn im Leben ein Knoten vor mir steht, der sich einfach nicht lösen lässt, dann nützt es nichts, am Strick zu ziehen, dadurch wird er Knoten nur fester. Wenn ich aufhöre, zu ziehen, kann er sich lockern.

Nimm dein Kreuz auf dich, sagt Christus. Das ist die erste Station auf dem Weg: Die Versöhnung mit dem, was wir nicht ausgesucht haben, das Annehmen von dem, was wir nicht ändern können. Stehen bleiben und ansehen, was ist.

 

Aus einem Gottesdienst 2005
Foto von Valentin Sarte, Pexels