Ein fröhlicher Bettag

Gibt es einen fröhlichen Bettag? Erfunden worden ist er von der weltlichen Obrigkeit. Wenn eine Katastrophe über das Land hereinbrach, wenn Krieg oder Teuerung das Volk bedrohten, dann setze man einen Bettag an. Durch Busse und Umkehr sollte das Unglück abgewendet werden.

Ein psychisches Bedürfnis
Als „Dank-, Buss- und Bettag“ erinnert er auch an das Schöne, für das zu danken wäre. Aber das Schwere haftet ihm an. So wird ein Bettag keine Millionen Besucher anlocken wie eine Love Parade. Und doch ist sein Anliegen tief verankert in der menschlichen Psyche.

In allen Kulturen finden sich religiöse Riten, durch die Menschen versuchen, wieder mit sich ins Reine zu kommen. Das kann geschehen durch eine Selbst-Besinnung. Spektakulärer wirken Bussgänge, wenn Menschen auf den Knien rutschen oder sich selber mit Geisseln schlagen.

Selbstbestrafung
In einer Krise, wenn Schuldgefühle die Menschen plagen, dann neigen sie dazu, sich selber zu bestrafen. Die Psychologie kennt den „Bestrafungswunsch“. Menschen möchten die Schuld abtragen, wieder ins Gleichgewicht kommen und in die Gemeinschaft zurückkehren. So erniedrigt man sich selbst, geht in Sack und Asche, schneidet sich die Haare, nimmt alle Lebensäusserungen zurück und würde sich am liebsten tot stellen.

Das wird nicht unbedingt von den Religionen gelehrt, es ist aber in die Religionen eingesickert. So gibt es in allen Religionen archaisch wirkende Buss-Riten: dass man sich zu Boden wirft, auf den Knien zu einem Wallfahrts-Ort kriecht, dass man sich geisselt und martert und durch solche Selbst-Bestrafung das Gewissen erleichtert, um die gefürchtete Strafe abzuwenden und wieder zum Frieden zu finden.

Das wird oft der Religion zur Last gelegt. Es entspricht dem Bild der „lebensfeindlichen Haltung“, die man bei den Religionen zuhause sieht. Die Religionen haben sich aber schon in frühester Zeit dagegen gewehrt. So ist diese Busspraxis schon im ersten Testament kritisiert worden. Stellvertretend für viele steht der Prophet Jesaja. Das Volk beklagt sich bei Gott: „Warum fasten wir, und du siehst es nicht an?“

Seelenhygiene…
Gott gibt zur Antwort: „Siehe, wenn ihr fastet, so übt ihr doch nur euren Willen und treibt eure Arbeiter an. Ihr fastet, dass ihr hadert und zankt und schlagt mit gottloser Faust. Wollt ihr das ein Fasten nennen? Das ist aber ein Fasten, das mir gefällt: Lass los, welche du mit Unrecht gebunden hast; lass ledig, welche du beschwerst; gib frei, welche du drängst; reiss weg allerlei Last; brich dem Hungrigen dein Brot, und die, so im Elend sind, führe ins Haus; und wenn du einen nackt siehst, so kleide ihn. Und ziehe dich vor deinen Brüdern nicht zurück. Alsdann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte, und deine Besserung wird schnell wachsen.“ (Jesaja 58,3ff)

… oder soziale Fürsorge
Diese Stelle im ersten Testament ist das Vorbild geworden für das Gleichnis vom Jüngsten Gericht im Neuen Testament. Dort sagt Jesus, worauf es letztlich ankommt im Leben und im Zusammenleben unter uns Menschen: „Ich war nackt – und ihr habt mich bekleidet, ihr war hungrig, und ihr habt mir zu Essen gegeben.»

Die Selbst-Herabsetzung auf dem Weg einer individuellen Seelenhygiene wird hier umgemünzt in eine soziale Fürsorge, in ein Interesse am Ganzen. Im anderen Menschen sollen und dürfen wir uns selber erkennen, so wie Christus sich in ihnen erkennt. Und er sagt: „Was ihr einem von diesen meiner geringsten Brüder getan habt, das habt ihr mir getan. (Mt 25,40)

Diese alten Auseinandersetzungen können uns auch heute inspirieren in den Fragen unserer Zeit. Ob es um die ökologische Krise geht oder die sozialen Auseinandersetzungen. Es ist eine Spiritualität für eine neue Welt: Wir dürfen dem Nächsten so begegnen, dass wir Christus selber in ihm suchen und finden. Dann sehen wir im andern Menschen nicht nur das Problem, das er für uns bedeutet. Dann finden wir Reichtum und Leben in dieser Begegnung. Etwas, was auch unserem Leben Kraft gibt. Und dann wird der Bettag zu einem fröhlichen Tag.

 

Aus Notizen 2010
Zum Dank-, Buss- und Bettag, der in der Schweiz dieses Jahr am 19. September und in Deutschland am 17. November 2021 gefeiert wird
Foto von Zachary DeBottis von Pexels