Was bleibt

Es ist zuweilen ein wehmütiger Gang, durch die Strassen der Kirchgemeinde zu gehen. Die Häuser sind voller Erinnerung. In manchen war ich zu Besuch. Da war eine Hochzeit zu besprechen, dort eine Taufe. Ein Jubiläum stand bevor, ein hoher Geburtstag. Hier habe ich geklingelt, um eine Beerdigung zu besprechen.

Viele Adressen bestehen heute nicht mehr. Die Menschen sind gestorben. Auch die Häuser stehen nicht mehr da, ich kann mich kaum noch an sie erinnern. Blöcke sind an ihre Stelle gerückt oder Baugruben. Da und dort schwingt ein Kran seinen Ausleger über das Gelände. Die Gemeinde verändert sich.

Was bleibt von all dem, was gewesen ist? Von den Menschen und wo sie wohnten? Lohnt es sich, von den Besuchen zu erzählen? Alles vergeht. Auch die Starken gehen vorüber. Auch die Mächtigen haben keinen festen Stand. Was am ehesten bleibt ist dieses „Weh“ in der Erinnerung: dass da jemand war. Und er war uns teuer! Der Glaube legt sie „Gott ans Herz“.

Der Jünger an seiner Seite
Darum wird Jesus in vielen Abendmahls-Darstellungen abgebildet mit einem Jünger an seiner Seite. Er scheint zu schlafen, er ruht mit seinem Kopf auf seiner Brust. Nach Auskunft der Interpreten ist das der „Lieblingsjünger“. Und das Bild verweist auf die „Jakobsleiter“ im Alten Testament. Auch Jesus verbindet Himmel und Erde, wird hier gesagt. In ihm offenbart sich Gott und gibt seinen Segen: “Ich bin mit dir, ich behüte dich, wohin du auch gehst, und bringe dich zurück in dein Land. Denn ich verlasse dich nicht, bis ich vollbringe, was ich dir versprochen habe.“ (1. Mose 28, 15)

Dieser schlafende Jünger ist die Verkörperung all der Fürbitten, die Menschen an Gott gerichtet haben: für ihre Kinder, für ihre Familien und Verwandten, für Freunde, sogar für die Obrigkeit, für Menschen, die Verantwortung tragen. Am häufigsten sind es wohl Eltern und Grosseltern, die ihre Lieben Gott ans Herz legen, dass er sie behüten möge.

Alles vergeht, wir Menschen kommen und gehen. Wir hinterlassen kaum eine Spur. Sogar die Häuser, die wir gestern aus Stein gebaut haben, werden morgen umgepflügt. Aber die Menschen, sie bleiben in unserem Herzen, und sie ruhen am Herzen Gottes.

Die Fürbitte
In der Fürbitte haben wir sie dort niedergelegt. Die Fürbitte geniesst heute kein grosses Ansehen. Aber es ist eine Grundfunktion der Kirche. Sie ist eingepflanzt in unsere Herzen. Wer liebt, der bittet auch. Christus sagt: „Bleibt in mir, so bleibe ich in euch. Wenn ihr in mir bleibt und meine Worte in euch bleiben, so werdet ihr bitten, was ihr wollt, und es wird euch widerfahren.“ (Joh 15,5)

Darum bitten wir voll Vertrauen für die Menschen, die wir lieben. Das bleibt, und wenn die Welt untergeht. „Himmel und Erde werden vergehen, aber meine Worte werden nicht vergehen“. (Mk 13.31).

 

Aus Notizen 2014
Bild: The Last Supper, Simon Ushakov 1685 (Publikation gemeinfrei)