Fürbitte

Ich war kürzlich auf dem Grab. Es war schön, für ihn beten zu dürfen. Dieses Bild habe ich vor Jahren für mich selber wachgerufen: dass Christus ihm entgegenkommen möge, wie ich es für mich imaginierte.

Weg
Ich gehe auf einer weiten Ebene. In der Ferne, unter Bäumen, sind Tische aufgestellt, wie zu einer fröhlichen Feier. Ob jemand Hochzeit feiert? Ich will daran vorbeigehen. Ich gehöre nicht dazu. Da löst sich jemand von der Gruppe und kommt mir entgegen. Er lädt mich ein zu dem Fest. Es ist Jesus Christus. Auf dem Weg, im Gespräch, wird alles angesehen. Unrecht, das ich zugefügt oder erfahren habe. Das Recht wird geheilt, Vergebung erfahren.

Alle sitzen am Tisch. Da sind Maria, die zwölf Apostel und alle Völker – wie es als Bild aufsteigt beim eucharistischen Hochgebet in der katholischen Kirche. Alle sind da. Ich sitze mit am Tisch Ich kann ihnen begegnen.

So ähnlich betete ich auf dem Grab für den Verstorbenen. Aber nicht nach der Armut meiner Bilder sollte es sich richten, sondern nach dem Reichtum seiner Wirklichkeit.

 

Reichtum
Über 50 Personen sitzen im Saal beim Mittagstisch, meist ältere Menschen. Ich kann all die Bedürfnisse nicht aufnehmen, die ich spüre. Ich will wenigstens für sie beten. Aber es geht mir regelrecht „an die Nieren“. Ich habe nicht mal Energie, um für sie zu beten, als ob das von mir abgehen würde und von meiner Kraft. Ich übergebe sie ihm und seinem Reichtum.

Diese Bild hilft mir später oft bei der Fürbitte: Er ist reich für alle. In jeder Sekunde lässt er neue Sterne entstehen. Die Bilder vom Nachthimmel aus jenen interstellaren Räumen, wo neue Sterne entstehen, sehen aus wie Blüten im Garten. Und umgekehrt sehe ich den gleichen Reichtum jetzt auch in den Sträuchern im Garten: Es ist nur eine kleine Welt, aber dasselbe Sprudeln und Quellen. Ein einziger Strauch hat Myriaden von Blütenständen. Der Himmel – ein Sprudeln von Blüten. Er ist reich über alle Vorstellung.

 

An der Gedenkstelle
Auf dem Weg komme ich an jener Gedenkstelle vorbei, wo vor einigen Monaten eine junge Frau verunglückt ist. Ich bete für sie und ihre Angehörigen. Mit dem Tod hört nicht alles auf. Wir bitten für Menschen, die uns teuer sind. Wir legen sie Gott ans Herz. Wir möchten sie aufgehoben wissen, über alles Verstehen hinaus. Und mit unserem Vertrauen spüren wir, dass wir bei Gott eine Heimat haben.

Dabei geht Vertrauen über Verstehen. Wir weiten unsern Blick für die Wirklichkeit aus. Wir betrachten nicht nur, was wir sehen und erfahren. Der Mensch findet sich vor auf der Welt, er hat sie nicht gemacht. Da ist eine Quelle des Lebens, die auch heute zu finden ist. Die Welt geht auf ein Ziel zu, wo kein Mensch dabei sein wird. Das geschieht aus derselben Kraft wie der Anfang.

Glauben heisst, dass wir uns in Beziehung setzen zu dieser Quelle. Wir nehmen es in unser Vertrauen auf, dass diese Kraft da ist, die uns das Leben gab. Wir erneuern jeden Tag dieses Vertrauen im Gebet und gehen so auf das zu, was vor uns liegt. Wir vertrauen auf Gott, für den nichts unmöglich ist.

Das hilft nicht nur, wenn jemand gestorben ist, sondern in vielen Situationen, in die das Leben uns hineinstellt. Manchmal geraten wir an einen Punkt, wo wir nicht weiter sehen. Auch das sind Situationen für den Auferstehungs-Glauben. Auch hier können wir uns an den wenden, der das Leben geschaffen hat und es begleitet.

Aus Notizen 2014