Glück im Unglück

Er will sein glückliches Gesicht verbergen. Auf die Blumen angesprochen, die er bei sich trägt, zeigt er ein schlechtes Gewissen. Darf man in dieser Zeit glücklich sein? Seine Tochter ist zu Besuch, sie erwartet ein Kind.

Das neue Jahr ist schon einige Tage alt. Draussen geht irgendwie die Welt unter, mit der x.ten Welle von Corona und immer neuen, noch ansteckenderen Mutationen, aber es ist ganz poetisch. Es schneit wie in den 50er Jahren. Alles ist bedeckt und in Watte gepackt. Die Autos fahren langsam. Kinder bauen Schneemänner. Die Leute, die sich begegnen, lachen und sind freundlich.

Stille
«Wir gingen zwei Stunden spazieren.» So erzählt er. «Als wir nach Hause kamen, lag unsere Tochter auf dem Kanapee und schlief. Es strahlte grosse Ruhe und einen grossen Frieden aus. Ich erinnerte mich an die Zeit, als unsere Kinder klein waren, wie ich da wieder Anschluss fand an diese Empfindungen, die weit in die Kindheit zurückreichen. (Der Schriftsteller Romain Rolland nannte es „ozeanisches Gefühl“.)

Eine Fliege surrt
Ich erinnerte mich daran aus der Zeit, als ich selber so klein war, dass ich oft noch auf dem Boden spielte. Das Teppichmuster waren Häuser und Strassen, die ich mit meinen kleinen Spielzeugautos entlang fuhr. In der Luft lag – wie das Surren einer Fliege – das Brummen eines Motorflugzeugs. War es Nachmittag? Oder war es einfach ein Stücklein Zeit, das sich bis ins Endlose dehnte? Ich war wohl in einen kontemplativen Zustand gerutscht, so dass die Zeit ihr Kleid wechselte und von Zeit in Ewigkeit umstellte, eine zeitlose Zeit, in der man einfach «ist».

Am Nabel der Welt
Es ist eine Welt der Ruhe und Schönheit. Daran erinnerte ich mich als ich unsere Tochter sah, die mit ihrem Kind im 6. Monat auf dem Kanapee lag und einfach eingeschlafen war. Sie hat viel Zeit vor sich, sie hat eine ganze Welt zur Verfügung. Sie hat alles, was sie braucht, die Quelle der Wirklichkeit hat sich geöffnet. Sie sitzt am Nabel der Welt.

Ich will voll Vertrauen in das neue Jahr gehen.» So erzählt er. «Gott selber hat es eröffnet. Er lässt die Galaxien kreisen, in den Staubwolken entstehen neue Sterne. Und die Büsche am Bach halten die Knospen schon bereit. Sie gehen auf, wenn das Wetter wieder wärmer wird. Dann wird es Frühling. Jetzt ist Winter, ein richtiger, schöner Winter.»