Drei Sätze für jeden Tag

Als ich ganz aufgelöst war, als ich nichts mehr wusste, haben mir drei Sätze geholfen, auf den Tag zuzugehen.

Dieser Tag heute bietet alles zum richtigen Leben.
Dieser Satz nimmt jeden Tag ernst. Jeder Tag kommt aus Gottes Hand. Er ist nicht schlechter als ein anderer. Er enthält die Möglichkeit zu einem ganzen Kosmos. Ich muss mich nicht vorwärts oder rückwärts sehnen. Auch Chaos und Tod gehören dazu. Das ist der Weg der Schöpfung.

Dieser Tag enthält das Schlimmst-Mögliche.
Dieser Satz nimmt alle Möglichkeit auf und alle Wirklichkeit ernst. Keine mögliche Erfahrung ist ausgeschlossen. Jede Erinnerung darf Platz haben, wenn sie kommt, auch aus dunkler Vergangenheit.

Das „Schlimmst-Mögliche“ ist der Gegenpol des Vertrauens. Es ist der Attraktor der Angst, der Magnet, der unsichtbar anzieht und lähmt, der „Kratz“ in der Schallplatte, der das Verhalten im Kreis laufen lässt. Das Schlimmst-Mögliche ist das, was Bann ausübt – und was vom Bann befreit. Seine Anziehung ist schrecklich und herrlich, sie hat ein Faszinosum und ein Tremendum.

Sein Tremendum ist das Gebannt-Sein in jener Landschaft der Angst, wo alles in ein bestimmtes Licht getaucht ist, wo ich jeden Winkel kenne. Es ist eine ganze Welt, die andern Menschen verborgen scheint. Sein Faszinosum ist die Möglichkeit der Freiheit, die hier zu gewinnen ist, die neue Schöpfung nach der Sintflut.

An diesem Tag kann ich zur Quelle gehen.
Dieser Satz ist wie der „Faden der Ariadne“, den ich für den Gang ins Labyrinth brauche. Er gibt mir fühlbar etwas in die Hand und zeigt: Ich bin geführt. Das Geheimnis ist letztlich gut, auch wenn es schrecklich scheint.

Die Ariadne schenkt den Faden aus Liebe. So wird Liebe der „Rote Faden“ in meinem Leben sein, das Geheimnis meiner seltsamen und verworrenen Biographie, die so viel Schmerz und Verlust enthält. Der Faden, wenn er entwirrt wird, ist Liebe.

Und der Zugang zur Quelle? Im Traum sehe ich mich eine Strasse gehen. In einer Mauer, ich bin schon oft daran vorüber gegangen und habe nichts bemerkt, ist ein Tor. Ich öffne und gehe hinein. Es ist ein wunderbarer Garten…

Diese Türe ist das Gebet, denke ich später. Durch dieses kann ich eintreten und mich vor Gott stellen.

Dieser Tag bietet alles zum richtigen Leben.
Dieser Tag enthält das Schlimmst-Mögliche.
Heute, in jedem Augenblick, kann ich zur Quelle gehen.

So finde ich den Weg in den Tag, auch in schwerer Zeit.

„Fürchte dich nicht! Denn ich bin mit dir, um dich zu retten!“
„Ich wende dein Geschick! Mit ewiger Liebe habe ich dich geliebt, darum habe ich dich zu mir gezogen.“
„Siehe, ich bin der Herr. Sollte mir etwas unmöglich sein?“

Später habe ich solche Sätze auch in der Bibel gefunden, wie hier im „Trostbüchlein“ von Jeremia (Jer 30 -31). Dieser „Dreisatz“ findet sich noch oft in der Bibel. Es ist letztlich das Glaubensbekenntnis und sein Vertrauen, dass alles von Gott gehalten ist, dass er die Welt nicht nur geschaffen hat, sondern auch begleitet und erlöst und dass er zu finden ist, wo wir ihn anrufen.

Drei Sätze – es ist ein fröhlicher Dreisatz, eine himmlische Mathematik.

 

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