Die Kirche, die geht und die Kirche, die kommt

Man will immer Kirche machen mit denen die gehen. Das sind ganze Völkerschaften. Man will nie Kirche machen mit denen die kommen. Das sind auch Völkerschaften.

Man darf sie nicht verachten für ihre „Esoterik“ oder für Anliegen, die manchmal ausserhalb der akzeptierten Norm stehen. (Sie wollen von Gott und Menschen akzeptiert werden, vorher können sie nicht ja sagen zu sich selbst.) Man darf sie nicht verachten für ihre Unkenntnis der Traditionen, was teils zu seltsamen Blüten führt. Sie werden von Gott angezogen, die Kirche kann ihnen entgegen gehen.

Viele sind psychisch gar nicht in der Lage, am Sonntagmorgen um 09.30h geputzt und gekämmt in der Kirche zu erscheinen. Aber sie sind empfänglich für einen Gott, der ihnen entgegenkommt, sich zu ihnen bückt, sie annimmt und so erst zu einem Subjekt macht mit Selbstachtung und Vertrauen in das eigene Handeln. Einem Wesen, das sich selber für wert hält und vom Leben etwas erwarten darf.

Man will die Leute in der Kirche halten, indem man „andere Dinge“ macht als das Kerngeschäft: Happenings, Event-Marketing. Da bleibt die Seele hungrig.

Die, die kommen
Die, die gehen und die, die kommen – wer sind die, die kommen? Ist das nicht naiv, auf sie zu vertrauen? Kennen wir sie denn? Kennen sie sich selbst? Sie wissen nichts davon, es lebt nicht im Bewusstsein. Es ist niedergelegt im Bedürfnis nach Gerechtigkeit und Zugehörigkeit, in der Sehnsucht nach einem richtigen und vollen Leben.

Das klärt sich im Advent. Er erzählt von dem Gott, der kommt. Das ist nicht einfach «am Ende der Geschichte», so dass es uns heute nichts anginge. Wir alle sind Kommende. Wir sind nicht «da», am Ziel. Und Kirche ist kein Besitz, den man nur noch verwalten müsste.

Wir sind die, die erst kommen und Platz in der Kirche suchen. Da ist unsere Hoffnung, unsre Sehnsucht, wir haben den andern nichts voraus. Denn was ist unser «richtiges Leben» (während die andern immer scheitern), wenn Gott kommt? Wir hoffen mit ihnen, beklagen unsere Engherzigkeit. Wir freuen uns in der Zusage, erneuern uns in der Hoffnung.

Aus Notizen 2015
Foto von Stijn-Dijkstra, Pexels