Himmelfahrt redet nicht vom Himmel

Der Jesus, der gekreuzigt wurde, war nicht der Seelenfreund. Es war der „Messias“, von dem seine Anhänger eine neue Friedensordnung erhofften. Und die Auffahrt, die wir bald feiern, war ursprünglich nicht ein Gedankending, das niemand begreift. Es war verbunden mit handfester Hoffnung.

Gezähmt und eingehegt
„Wenn das Christentum mal ganz vergessen ist, kann man es wieder neu entdecken.“ Im Vergessen von Traditionen liegt auch eine Chance. Man kann sie aus ihrer Verniedlichung befreien (so sind Weihnachten und Ostern zu Kinderfesten geworden). Man kann sie aus ihrer Verinnerlichung herausführen, als ob das Reich Gottes immer nur ein Seelenzustand sein müsste.

Die Geschichte hat die Kirchen in ihrer sozialen und politischen Wirkung begrenzt. Die Kultur hat den Glauben privatisiert. Aber die Sehnsucht nach einer Welt des Friedens und der Gerechtigkeit, wo auch der Schwächste in seiner Würde geachtet wird, und wo dem Benachteiligten geholfen wird, das gehört zum Urbestand der biblischen und christlichen Traditionen.

Himmel und Erde
Der Jesus, der gekreuzigt wurde, war nicht der Seelenfreund. Es war der „Messias“, von dem seine Anhänger eine neue Friedensordnung erhofften. Und die Himmelfahrt oder Auffahrt, die wir bald feiern, war ursprünglich nicht ein Gedankending, das niemand begreift. Es war verbunden mit handfester Hoffnung.

Ein Psalm bringt das deutlich zum Ausdruck, in ihrem Danklied singt Hanna:
„Mein Herz ist fröhlich in dem Herrn. (…) Der Bogen der Starken ist zerbrochen, und die Schwachen sind umgürtet mit Stärke. Die da satt waren, müssen um Brot dienen, und die Hunger litten, hungert nicht mehr. (…)

Der Herr tötet und macht lebendig, führt hinab zu den Toten und wieder herauf. Der Herr macht arm und macht reich; er erniedrigt und erhöht. Er hebt auf den Dürftigen aus dem Staub und erhöht den Armen aus der Asche, dass er ihn setze unter die Fürsten und den Thron der Ehre erben lasse.“ (1. Sam 2)

Und der Psalm 22, das Gebet, das Jesus gebetet hat vor seinem Tod, vertraut auf einen gerechten Gott:
„Er hat nicht verachtet des Armen Elend, und nicht sein Angesicht vor ihm verborgen. Und da er zu ihm schrie, hat er ihn erhört. Es werden sich aufrichten die Gebeugten, und die Hungrigen werden gesättigt.“ (Psalm 22,25)

„Er erniedrigt und erhöht“
Gott wahrt das Recht, darum wird er den nicht im Unrecht lassen, der unschuldig verfolgt ist. Und er wird den aufrichten, der von Gewalt niedergeworfen wurde. Darin erfüllt sich der Sinn von Passion und Ostern. So berichtet Markus am Schluss seines Evangeliums: „Der Herr Jesus nun wurde, nachdem er zu ihnen geredet hatte, in den Himmel emporgehoben und setzte sich zur Rechten Gottes.“ (Mk 16, 19)

Der Glaube an die Himmelfahrt will nicht so sehr vom Himmel reden. Er wahrt unsere Intuition von einer Gerechtigkeit auf der Erde. Darum sagen die Engel zu den Jüngern, als sie dem Aufgefahrenen nachblicken: „Was steht ihr da und guckt nach oben? Dieser Jesus wird so wieder kommen, wie ihr ihn habt zum Himmel fahren sehen.“ (Apg 1,11). Darauf kehren die Jünger nach Jerusalem zurück.

Und die Geschichte der Kirche beginnt. Salz soll sie sein und ein Licht auf dem Berg. Wie das Salz oder der Sauerteig soll sie das ganze Leben durchgestalten, dass man es dieser Welt ansieht, dass es einen gerechten Gott gibt, der Rechenschaft fordert. Ein Licht soll sie sein, das die Menschen mit ihrer Hoffnung aufrechterhält.

 

Aus Notizen 2011
Foto von Faheem Ahamad, Pexels