Ein Fest der Wahrheit, Schönheit und Gerechtigkeit

Für viele Menschen ist Ostern eine Legende. „Das kann gar nicht sein, dass ein Toter aufersteht.“ Für mich ist Ostern ein Fest der Wahrheit, ein Festhalten an dem, was richtig ist, eine Beschwörung des Schönen, auch wenn es noch so viel Hässliches gibt auf der Welt, auch wenn so vieles nicht läuft, wie es sollte.

Die Wahrheit wird gegängelt. Die Interessen definieren, was gelten soll oder was aus Beachtung und Traktanden fällt. Selbst im privaten Gespräch gibt es die Formeln des „Sprech“, an denen sich das Reden und Denken entlang hangelt. Anfangs kann man noch „doppel-denken“ und hinter der Fassade des „speech“ noch festhalten, was man selber denkt. Aber es gibt einen Punkt, wo die doppelte Buchhaltung mit der Wahrheit nicht mehr aufgeht und das Wahrheitsbewusstsein Konkurs anmeldet.

In den USA, warnen kritische Beobachter, habe der manipulative Umgang mit Fakten ein Ausmass angenommen, dass das Funktionieren von Wissenschaft, Demokratie und freiheitlicher Gesellschaft untergraben werde.

Was gilt eigentlich noch? Worauf kommt es letztlich an? – Das wird an Ostern zur Sprache gebracht. Ostern ist ein Aufstand gegen den Zynismus, als ob wir Menschen die Wahrheit kontrollieren könnten, als ob es von unserer Definition abhinge, was richtig und gut heissen soll in der Welt.

Was ist anstössig an Ostern? Was können die Kritiker nicht glauben und für wahr halten? – Dass ein Verlierer siegt? Dass ein Verhöhnter und Verlachter geehrt wird? Dass ein Unterdrückter Recht erhält? Dass ein Kleiner erhöht wird und höher gestellt als seine Peiniger?

Oder ist es unglaublich, dass die Untaten, die im Dunkeln geschehen, ans Licht kommen? Dass die Opfer, die Malträtierten und Ermordeten, die Geschundenen und Gefolterten der Geschichte ins Licht zurückkehren? Dass die missliebigen Gegner, die Opfer der Säuberungen, die man mit dem Flugzeug ins Meer kippte, dass die wieder auftauchen, statt spurlos zu verschwinden?

Das Unglaubliche an diesen Behauptungen, das kommt nicht von Ostern her. Die Wurzel steckt schon im Karfreitag. Manchmal stellt sich die Welt, als ob es keinen Gott gäbe. Als ob es keine Wahrheit und kein Recht mehr gäbe und Gewalt und Lüge alles beherrschten.

Dann beginnen Menschen an das Recht zu glauben, nicht weil sie es erfahren, sondern trotzdem es in ihrer Erfahrung fehlt. Dann beginnen Menschen an Wahrheit zu glauben, nicht weil sie diese jeden Tag antreffen. Es ist ihnen klar, gegen jede Erfahrung, dass es so etwas wie Wahrheit und Recht geben muss, denn anders können sie nicht leben. Es ist eine Intuition, die das Leben haben muss, wenn es leben will. Ohne das endet es in Verzweiflung, Krankheit, Tod.

Nein, der Tote lebt. Wirklichkeit ist mehr, als was der Mensch manipulieren kann. Ostern ist das Fest der Wahrheit, es ist ein Aufstand gegen Zynismus und Lüge, als ob der Mensch alles machen dürfte, mit Menschen, Tieren, mit der Natur. Als ob es nichts gäbe über der Willkür der Mächtigen und Reichen.

Karfreitag ist der Zusammenbruch des Doppeldenkens, Ostern ist der Beginn des Lebens. „Ich bin der Weg und die Wahrheit und das Leben“, sagt der Auferstandene.

 

Aus Notizen 21.12.2013, erstmals veröffentlicht am 14.3.17 im Blog „Diesseits“
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