Der Glaube ist nicht stark durch Gründe

„O du fröhliche“ – Johannes Falk, der Dichter dieses Liedes, hatte damals nichts zu feiern. Seine halbe Familie hat er verloren. Vier seiner sieben Kinder starben bei einer Typhus-Epidemie. Er nahm fremde Kinder bei sich auf, gründete ein „Rettungshaus“ für Kinder ohne Zuhause. Für sie dichtete er sein Lied. „O du fröhliche“.

Es drückt nicht einfach Freude aus, weil die Welt schön ist. Es drückt den Glauben aus, gegen alle Not der Welt. Gerade weil diese manchmal „so verdammt weh tut“, wie man heute sagen würde. „Welt ging verloren“, dichtet er und weiss, was es bedeutet. Mit den aufgenommenen Kindern feiert er Weihnachten. Die Erinnerung drückt ihm fast die Seele ab. „Welt ging verloren, Christ ist geboren“ – im Dunkeln der Nacht ist ein Kind geboren. Gott macht einen neuen Anfang.

Wie soll das möglich sein? Der Glaube ist nicht stark durch Gründe, der Glaube ist am stärksten, wo er gegen alle Gründe anglauben muss. Die Wirklichkeit ist letztlich gut. Gott ist gerecht. Er lässt den Verlassenen nicht allein. – „Welt lag in Banden, Christ ist erstanden.“ Die zweite Strophe handelte ursprünglich von Ostern: von dem Wunder, wie ohne Gründe neues Leben kommt. Und der Karfreitag im Leben wandelt sich zu Ostern. Neues Leben, wie am Anfang der Zeit, als es auch keine Gründe gab, warum etwas entstehen sollte.

„Christ unser Meister, heiligt die Geister“ – die dritte Strophe handelt von Pfingsten. Wir gehen unseren Weg und erleben so etwas wie Führung. Nein, es ist nicht einfach alles nur dunkel und leer. Da ist ein Weg, da ist ein Ziel, da ist Hilfe auf dem Weg.

Später wurde das Lied „O du fröhliche“ zu einem reinen Weihnachts-Lied umgedichtet. „Christ ist erschienen, uns zu versühnen. Himmlische Heere jauchzen dir Ehre“, heisst es in der zweiten und dritten Strophe. – Das ursprüngliche Lied umfasste die ganze Heilsgeschichte: wie Gott unter uns geboren wird, dann, wenn es am dunkelsten ist. Wie er mit-leidet und mit-stirbt mit dem, was uns am nächsten ist. Wie er aufgerichtet wird, zu Ehren gebracht, ins Licht gestellt. Wie er mit uns mitgeht, an unserer Seite und uns begleitet auf unserem Weg, bis ins Ziel.

So hat das Lied ursprünglich gelautet:

„O du fröhliche, o du selige, gnadenbringende Weihnachtszeit!
Welt ging verloren, Christ ist geboren: Freue, freue dich, o Christenheit!
O du fröhliche, o du selige, Gnaden bringende Osterzeit!
Welt lag in Banden, Christ ist erstanden: Freue, freue dich, o Christenheit!
O du fröhliche, o du selige, Gnaden bringende Pfingstenzeit!
Christ unser Meister, heiligt die Geister: Freue, freue dich, o Christenheit!

 

Aus Notizen 2011
Foto von Kristina Paukshtite von Pexels