Ich versuche, Geschichten zu finden, die verstehbar machen, was das ist: Erlösung. Ich spüre – viel wichtiger ist die innere Gewissheit, dass Er da ist. Das kommt nicht durch Geschichten, das kommt an gewissen Punkten des Lebens – oft an Tiefpunkten, ganz unerwartet – wie am Karfreitag. Das werden dann Wendepunkte im Leben – wie Ostern. Dann stellt sich auch die Glaubensfreude ein.

Ich lasse das Ärgernis stehen, dass wir es nicht verstehen. Wir haben Zugang nicht über den Verstand. Das Verstehbar-Machen-Wollen läuft auf eine Allegorese hinaus. Das macht es billig. Es behandelt Ostern wie einen Mythos, den man entmythologisieren kann. Der antike Vegetations-Gott, der stirbt und aufersteht und so das Leben zurückbringt. Heute können wir astronomisch erklären, warum es Frühling wird.

Die Pointe von Ostern ist nicht das Wiederaufleben der Vegetation, die Pointe ist, dass er diesen Jesus Christus auferweckt hat, den in Schande Gekreuzigten. So wird der Gedemütigte aufgerichtet. Der schuldlos Verurteilte erhält Recht. Der Ermordete wird seiner Mutter zurückgegeben.

Dazu kommt an Ostern aber auch die Begegnung mit dem „andern“. Sonst ist kein Anfang. Im Heranwachsen, wenn unser Bewusstsein erwacht und wir die Welt verstehen lernen, finden wir uns vor: uns selbst, die Welt und das Leben. Da ist weniges, das von uns stammt, und eine ungeheure Übermacht von anderem, das vor uns war und uns Leben schenkt und ermöglicht.

Auch diese Rückübersetzung in ein nicht-glaubendes Weltbild, das ich jahrelang gepflegt habe, möchte ich allmählich hinter mir lassen. Das Wesentliche des Glaubens lässt sich nicht rückübersetzen. Da gibt es nur ein Vorwärts-Übersetzen. Ein Über-Setzen über den Strom, an dem Christophorus Fährmann ist.

Christophorus
Da kommt eines Tages ein Kind und will hinüber. Der Christophorus, ein Riese, lacht, und packt es sich auf die Schulter. Ist er nicht als Jugendlicher schon ausgezogen, weil er dem höchsten und mächtigsten Herrscher dienen wollte? So kam er von einem zum andern, immer höher, immer mächtiger, aber überall entdeckte er eine Schwäche.

Selbst beim Herrn dieser Welt hielt es ihn nicht lange im Dienst, weil er auch ihm auf die Schliche kam: Dass er nicht Herr über sich selber ist, dass er sein Leben und Schicksal nur geliehen hat.

Und jetzt dieses Kind. Er hebt es hoch, setzt es sich auf die Schulter. Dann reisst er eine Eiche aus, als Stock für den Weg. Und er watet ins Wasser.

Was ist das? Das Kind wird schwerer und schwerer! Der Riese glaubt es nicht, der Riese kommt in ernsthafte Schwierigkeiten. Der Riese fürchtet, er verliert sein Gesicht. Er watet weiter. Er kann nicht mehr. Endlich lässt er den Stolz fallen.

Wer bist DU!?

Es ist das Kind, das die ganze Welt auf den Schultern trägt.
Es ist das Lamm, das die Schuld der Welt auf dem Rücken trägt.

Das Wasser wird dem Riesen zur Taufe. Er geht unter und wird gerettet. Er stirbt und wird geboren, ein neues Wesen. Er vertraut auf den, der da ist wie ein Kind und die Welt in Händen hält.

Und sein lebenslanger Kampf – es ist nur ein Spiel. Ein heiliges Spiel.

 

Aus der Broschüre «Gott gesucht». Sie versammelt einige Texte aus der Zeit der Glaubenssuche und kann von diesem Blog heruntergeladen werden. (Menüleiste: Downloads)

 Foto von Andrey Grushnikov von Pexels