Ein Gebet für den ganzen Kosmos

Nach heftigem Regen und schwarzen Wolken ein Regenbogen. Er geht über die Kirche hin, alles strahlt in goldenem Licht. Ich möchte arbeiten, aber ich muss in den Regen hinaus, um ihn anzusehen.

Beim Aufräumen habe ich kürzlich eine Notiz meiner Mutter gefunden, wo sie schreibt, ich sei nach Hause gekommen und habe von einem Regenbogen erzählt. So etwas Schönes hätte ich noch nie gesehen. Ich weiss nicht mehr, wie alt ich damals war, aber ich sehe den Ort noch vor mir, wo ich stand.

Ich freute mich und ging herum, ich ging herum und freute mich.

Ich wusste nicht wohin mit dieser Freude. So ging ich ziellos herum. Einmal hin und wieder her, weil dort auch nichts war, was in Bezug stand zu dem, was mich beschäftigte. Die Seele war voll, aber die Hände leer, und es gab nichts zu tun.

So verhält sich eine Katze, die im Konflikt zwischen zwei Reizen steht und schliesslich keinem von beidem folgt. Sie vollzieht eine „Übersprungs-Handlung“ und wählt etwas Drittes, sie geht herum, obwohl das offensichtlich keinem Zweck zu folgen scheint.

Was tun bei einem Regenbogen?
Was wäre der Konflikt gewesen beim Anblick des Regenbogens? – Vergehen wollen in Betrachtung und gleichzeitig ganz lebendig sein? – Passiv mich beschenken lassen von einer Übermacht der Schönheit und gleichzeitig etwas tun, was das Glück zum Ausdruck bringt, was die ganze Welt beglückt?

Ich erinnere mich, wie frühere Kulturen das erlebt und gedeutet haben: als Verbindung, die vom Himmel zur Erde geht, nachdem Gewitter und Flut vorher alle Schrecken lebendig werden liessen. Als Bund und Friedensschluss zwischen Gott und Menschen.

Ich bete für die Menschen, für alle Menschen und für die ganze Welt, für Tiere und Pflanzen, Erde, Luft und Meer. Ein Gebet für den ganzen Kosmos.

Zwecklos
Vielleicht ist das Gebet jene Handlung, die das erfüllt, was die Übersprungs-Handlung meinte: Vergehen wollen in Betrachtung und gleichzeitig ganz lebendig sein. – Passiv mich beschenken lassen von einer Übermacht der Schönheit und gleichzeitig etwas tun, was das Glück zum Ausdruck bringt, was die ganze Welt beglückt?

 

Aus Notizen 2014
Foto Emma Bauso, Pexels