In welchem Sinn gelingt hier Leben?

Der Glaube sagt nicht einfach: „Du sollst!“, sondern stellt uns Bilder gelungenen Lebens vor Augen. Diese Bilder helfen uns in unsern konkreten Lebens-Situationen, uns „richtig“ zu entscheiden, und geben uns zugleich einen „Vorgeschmack“ des Gelingens, der das Handeln zu motivieren vermag.

Das zentralste Symbol „gelingenden Lebens“ im Christentum ist der Weg Jesu Christi. Aber in welchem Sinn „gelingt“ hier Leben? Hat er den Aufstieg geschafft und in Wohlstand gelebt? Hat er Glück gehabt, dass immer nur die andern von Krieg und Flüchtlings-Elend betroffen waren? Hat er immer rechtzeitig den Mund gehalten, um es mit den Machthabern nicht zu verderben?

Im Weg Jesu Christi wird nach den höchsten Ansprüchen umschrieben, wie Leben „gelingt“: Kranke werden heil, Lahme gehen, die Menschen leben in Frieden und Gerechtigkeit – und das trotz aller Gegenerfahrungen von Elend, Leid und Krieg.

Die Erfahrung von Krieg wird nicht zum Anlass genommen, um zynisch die eigene Sehnsucht nach Recht und Gerechtigkeit zu verraten. Die Gewalt wird nicht zum Argument, seinen Teil nun ebenfalls mit Gewalt zu holen. Der Tod wird nicht zum Anlass der Resignation, dass „letztlich“ doch alles vergeblich sei. Das Bild der Auferstehung meint das Vertrauen, dass das Leben letztlich stärker ist als der Tod und Recht stärker als Unrecht. Der Glaube fasst dieses Vertrauen in das Bild Gottes.

Und dieser Glaube gibt Kraft, auch in diesem Sinn zu handeln: Trotz der Angst vor der Übermacht des Unrechts auf das Recht zu setzen, trotz der Gewalt, die Leben bedroht und nötigt, auf das Leben zu vertrauen. Und damit verändert dieser Glaube die Wirklichkeit. Er interpretiert sie nicht nur.

 (Aus dem Buch „Geborenwerden, wachsen und reifen, Notizen 1992 – 1998.
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