Wenn der Alltag aufgehoben ist

Die Zeitungen berichteten von Kriegsvorbereitungen. Die letzte Friedensinitiative des UNO-Generalsekretärs vor Ablauf des Ultimatums ist ohne Ergebnis abgelaufen.

 

Der Alltag ist aufgehoben
Das Aufrüttelnde an den Meldungen war die Infragestellung alles dessen, was „Alltag“ ausmacht – dieses Blicks auf die Welt, der Bedenkliches und Unbedenkliches säuberlich trennt, der „Probleme“ ausgrenzt und im Übrigen einen Bereich frei hält, der problemlos scheint – einen Alltag eben, wo man sich ohne viel Gedanken den Routinen überlassen darf, dem bedenkenlosen Funktionieren.

Zuschauer?
Heute Morgen, als ich noch schnell die Wäsche von der Leine holte, dachte ich: Sollten wir uns getäuscht haben? Ist unser Leben gar nicht so belanglos, wie wir uns das bisher vorgestellt und wie wir uns eigerichtet hatten? Bin ich wirklich gefordert?

Hat denn „Geschichte“ nicht nur was mit Vergangenheit zu tun, während wir in dem ewig geschichtslosen Zustand der „Nachkriegszeit“ verharren, welche wohl auch Probleme kennt, die aber doch niemals von „Geschichte“ eingeholt werden kann?

 

Aus Notizen 14. Januar 1991
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