Auch die Passion erzählt «mythologisch»

Das Leiden Christi, das die Kirche sich in der Passionszeit vergegenwärtigt, das wird im Neuen Testament erzählt ohne mythologisches Beiwerk. Es kommt ohne jene Metaphysik aus, die an Ostern bemüht wird, ohne Mythologie, wie sie für Himmelfahrt und Höllenfahrt bemüht wird. So scheint es.

Aber die Bibel erzählt die Passion nicht «historisch», jedenfalls nicht nach unsern Geschichtsbegriffen, die von Gott absehen, sondern heilsgeschichtlich. Gott ist dabei mitgedacht. So erzählt auch die Passions-Geschichte unter Einschluss Gottes, sogar dort, wo Gott vermisst wird. «Warum hast du mich verlassen?», betet Christus am Kreuz den Psalm 22. Gott ist nicht abgeschafft, wie im modernen Denken. Er ist da, aber Jesus fühlt sich in dieser Situation vom ihm «verlassen».

Die Passion mythologisch
Die «Höllenfahrt», die wegen ihrer Mythologie Anstoss erregt, wird im ersten Petrusbrief kurz erwähnt. Demnach hat Christus nach seinem Tod «den Geistern gepredigt, die im Gefängnis waren» (1. Petrus 3,19). Und doch kann man beide Erzählungen nicht aufteilen nach mythologischer und realistischer Rede.

Die biblische Passion ist nicht krude Erfahrungs-Sprache, die von den „mythologischen“ Teilen der Osterereignisse abgesondert werden könnte. Auch die Passion erzählt „mythologisch“ (mit Bezug aufs „Ganze“, das nur symbolisch auszusagen ist):
Sein Leiden ist das Leiden aller Menschen (ohne das wäre es ohne Heilsbedeutung für uns, ein Ereignis nur für unser Mitleiden wie der Tod jedes Menschen).
Es ist Gott, der leidet (ohne das gäbe es keine Erlösung, keine rettende Versöhnung). Im leidenden und auferstehenden Christus versöhnt er die Welt mit sich, bis er „alles in allem“ ist.
In der Passion geht er durch Abgründe; er teilt und erhellt das Dunkle. Darum ist seine Geschichte die Geschichte jedes Menschen und der ganzen Menschheit.

Der Weg
Die Passion ist mehr als ein Traditions-Stück für die fromme Betrachtung. Wenn wir überhaupt einen Gottesnamen anrufen (und das ist für den Menschen, bezogen auf die Gesamtheit seines Lebens, notwendig), so sind wir gemeinsam auf dem Weg unterwegs. Aber nicht nur wir gehen in der Feier mit ihm mit, indem wir seiner gedenken. Er geht mit uns durch die Kreuzwege unserer Leiden. Er steht am Anfang, geht mit uns mit und begleitet uns bis zum „Ankommen“ am Ziel.
Von dort wird er uns entgegen kommen.

 

Bild: Irdische Passion, erster Weltkrieg. Felix Valotton, Kirche von Souain, 1917

«Der Weg“ ist ein zentrales Bild in vielen Religionen und auch im Christentum. Auf der Menüleiste findet sich das Streiflicht „Ich bin der Weg!“

Aus Notizen 2014