Glaubenssprache als Ärgernis

Dass Gott Mensch wird, stirbt, aufersteht, in den Himmel fährt – das hat immer wieder Ärgernis bereitet. Die Bilder waren eine Zumutung für das aufgeklärte Bewusstsein, so dass ganz darüber vergessen ging, was sie denn bedeuten und aussagen wollen.

Insbesondere das Glaubensbekenntnis, das Credo, scheint ein Inbegriff des Verpönten zu sein, da es in mythologischen Bildern redet und gegen das neuzeitliche Metaphysik-Verbot verstösst.

Von Jesus Christus heisst es im Apostolicum:

 „… gekreuzigt, gestorben und begraben,
hinagestiegen in das Reich des Todes,
am dritten Tage auferstanden von den Toten,
aufgefahren in den Himmel;
Er sitzt zur Rechten Gottes, des allmächtigen Vaters;
von dort wird er kommen,
zu richten die Lebenden und die Toten.“

Es ist ein Bild, das alles in sich fasst, Tod und Leben, Zukunft und Vergangenheit die ganze Welt und alles, was ich vom Leben erwarten mag. Wie soll man das heute nachsprechen können?

Das Ende der „grossen Erzählungen“
Hat nicht der französische Philosoph Jean-François Lyotard schon in den 80er Jahren „das Ende der grossen Erzählungen“ ausgerufen? Dahinter stand die Erfahrung mit den Totalitarismen des 20. Jahrhunderts. Er schloss an Wittgenstein an und seine Rede von den „Sprachspielen“, die die eine grosse Welterzählung ablösen sollen. Diese Relativierung diente ihm als Waffe gegen den Anspruch der grossen Theorien und ihre totalitären Folgen.

Und Jaques Derrida, sein Mitstreiter, der die Dekonstruktion ausrief, wollte damit nicht einfach alles auflösen und verabschieden, was von der Tradition übrigblieb. Er verband die Rede von der „Dekonstruktion“ mit der Forderung nach einer „Rekonstruktion“. Er hat in seiner Jugend selber unter der antisemitischen Diskriminierung der Nazi-Zeit (und dem Vichy-Regime in Frankreich) gelitten. Mit seinem Dekonstruktions-Begriff knüpfte er an Martin Heidegger an. Dieser hatte von einer „Destruktion“ der abendländischen Tradition der Metaphysik gesprochen. Aber, so heisst es bei Heidegger: „Die Destruktion hat ebenso wenig den negativen Sinn einer Abschüttelung der ontologischen Tradition. Sie soll umgekehrt diese in ihren positiven Möglichkeiten, und das besagt immer, in ihren Grenzen abstecken.“

Die Kritik dieser beiden Denker hat damals ein grosses Echo gefunden. Sie richtete sich nicht nur gegen die Tradition, sondern auch gegen die Moderne, die mit ihren philosophischen Gross-Systemen in dieselbe Kerbe schlugen. So wurde die „Postmoderne“ ausgerufen. „Anything goes“ schien das Schlagwort der neuen Zeit, in der es keine verbindenden Gross-Erzählungen mehr gab, die einen Konsens der Gesellschaft zum Ausdruck bringen konnten.

Kritik und Begründung
Die Kritik an der Glaubenssprache und ihren metaphysischen Grundlagen war aber nicht einfach destruktiv. Die Kritik richtete sich gegen eine totalitäre und autoritative Aufblähung von Geltungsansprüchen. Wie bei Kant beinhaltet die Kritik auch die die Forderung und die Fähigkeit der Begründung.

Wenn die Gesellschaft auf immer weniger Grundkonsense zurückgreifen kann, untergräbt das nicht nur das friedliche Zusammenleben sondern auch die psychische Gesundheit der einzelnen. Der grundsätzliche Skeptizismus oder Relativismus gegen jede Wahrheits-Behauptung lässt keine Möglichkeit mehr zur Integration offen.

Was hat das mit dem Credo zu tun und mit Auffahrt? Hier wird das festgehalten, was Lyotard und Derrida schützen wollten: Auch der kleinste Mensch am Rande wird hier gesehen. „Ich kenne dich“, sagt Gott. Er lässt ihn nicht im Dunkeln, wo Machtmissbrauch ihn hingeworfen hat. Er stellt ihn ins Licht und in die Mitte. Oder wie es Jesaja sagt: „Du bist teuer in meinen Augen und wertgeachtet, ich habe dich lieb!“ (Jes 43,4)

Der Satz von Heidegger stammt aus „Sein und Zeit“, zitiert nach Wikipedia.

Das Credo als „grosse Erzählung“ in moderner Form findet sich unter downloads: „Unser Glaube nach den Kirchenfenstern“