Heiliger Geist

Zu Pfingsten 2019

Heiliger Geist – davon leben wir wie vom täglichen Brot.
Wie sonst Hände falten? Wie sonst beten? Wie sonst Kirche feiern, wenn nicht im Vertrauen, dass Gott da ist und dass wir uns in seine Gegenwart stellen können?

Der Heilige Geist scheint zwar der am schwierigsten zu erklärende Gottesname zu sein, aber zugleich ist er die selbstverständlichste Form, unter der wir Gott wahrnehmen: Er ist gegenwärtig.

Mit der Gegenwart teilt er einige Eigenheiten:
Er ist immer da – aber wir sind nicht immer gegenwärtig, wir fliehen.
Die Vergangenheit holt uns ein, wir spüren die alten Muster.
Die Zukunft übt einen Sog auf uns aus, die Sorgen ziehen uns fort.

Wo wir auf den Heiligen Geist vertrauen, können wir gegenwärtig werden, die Angst um die Zukunft loslassen. Wir müssen nicht wissen wollen: „Was sage ich dann?“ Einfach hinstehen und sagen, was nottut. Denn „sie werden euch vor die Gerichte führen. Aber fürchtet euch nicht, was ihr dann sagen werdet, der Heilige Geist wird euch alles eingeben.“

Im Vertrauen auf den Heiligen Geist können wir aus der Vergangenheit auswandern wie das alte Israel aus Ägypten. Der Heilige Geist führt zuerst in die Wüste, wie Israel nach der Befreiung, wie Jesus nach der Taufe. Dort ist die Versuchung, wie für Israel bei Massa und Meriba, wie für Jesus in der Wüste.

Der Versucher stellte sie drei Mal auf die Probe, so wie das Leben es heute noch mit uns tut.
Vielleicht verfehlen wir den Schritt immer wieder – wie Israel in der Wüste.

Aber der Heilige Geist begleitet uns.

Vielleicht ist unser Vertrauen immer wieder zu klein – wie bei Israel in der Wüste.

Aber der Heilige Geist führt uns.

Vielleicht verzweifeln wir, ob wir es je schaffen, aus der Wüste herauszukommen.

Aber Gott ist im Heiligen Geist gegenwärtig, es regnet Manna und ein Stein gibt eine Quelle frei.

In den alten Lehren vom Glaubensweg kommt gegen Ende auch die Station „Einwohnung des Geistes“. Es ist eine sehr hohe Stufe, gilt fast schon als Vollkommenheit. Der Mensch ist dann geistesgegenwärtig. Er ist wie ein Tempel, in dem der Geist wohnt, der Körper wie ein Gefäss, der dem Geist nicht mehr widerstrebt. – Wird der Heilige Geist je zu einem Besitz? Gibt es eine Entwicklung bis zur Vollkommenheit? Kommen wir ans Ziel des Lebens, werden wir nie mehr Fehler machen?

Die Bibel widerstrebt solchen Bemühungen. Das erste Testament erzählt, wie Moses Älteste als Helfer einsetzt und er bittet den Geist auf sie herab. Aber der Geist fährt auch in zwei Menschen, die er nicht dafür vorgesehen hat. Das zweite Testament erzählt, wie die Jünger zu Jesus kommen: Da ist ein anderer, der Dämonen austreibt in Deinem Namen, aber er gehört nicht zu uns! Und Jesus sagt: Lasst ihn, wer nicht wider uns ist, der ist für uns.

Der Geist wird nie Besitz. Damit wahrt die Bibel die Souveränität Gottes. Und sie bewahrt uns vor dem Vollkommenheits-Wahn, als ob wir nie mehr Fehler machen dürften. Als ob es nur von uns abhinge, dass die Kirche gebaut wird. Die Kirche ist das Geschöpf des Heiligen Geistes. Sie gehört Gott. Er regiert sie durch den Heiligen Geist.

Was wir tun, ist nicht immer Kirche, auch wenn wir dem 100-mal Kirche sagen. Dafür kann er Kirche geschehen lassen, wo niemand an so etwas denkt, z.B. auf dem Fussballplatz, wenn einer dem andern mit Respekt begegnet. Oder wo immer Menschen sind, die seinem Geist Raum lassen, einem Geist der Liebe und Ehrfurcht, weil die Menschen wissen, dass sie aus dieser Quelle leben.

 

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