Dürre und Flut

Die Bilder von Waldbränden scheinen sich jeden Sommer zu wiederholen. Jetzt ziehen sich die Brände weit in den Norden hinauf. In Schweden hat man versucht, die Brände durch Bombardierung zu löschen und das Feuer zu ersticken. Auf den alten Militärübungsplätzen in den Brandgebieten liegen viele Blindgänger, die in der Hitze explodieren können. So konnten die Rettungskräfte nur von ferne zugreifen.

Was mich erschüttert hat, waren die Bilder aus Griechenland. Wie da innerhalb von kürzester Zeit eine Feuerwalze durch ein Feriengebiet raste und alles in Asche legte. Es ging so schnell, viele hatten keine Zeit, das rettende Meeresufer noch zu erreichen.

Am selben Tag berichteten die Medien über den Dammbruch in Laos. Nicht weniger als 61 Dämme werden derzeit gebaut an den Oberläufen des Mekong. „Am Montag gegen 20.00h Ortszeit ist der Staudamm Xe-Pian Xe-Namnoy geborsten.“ Fünf Milliarden Kubikmeter Wasser ergossen sich ins Tal. Im Radio sagten sie, das entspreche der Menge des Brienzersees. Sechs Dörfer wurden überflutet.

So könnte man weiterfahren und Hiobsbotschaft an Hiobsbotschaft reihen. Ich möchte aber lieber weiterfahren wie das Buch Hiob selbst und mich an Gott erinnern.

Ökologie in biblischer Zeit
Die Bibel ist nicht naiv. Auch die Menschen im Altertum kannten bereits ökologische Probleme – sie haben Wälder abgeholzt, Sümpfe trockengelegt. Sie hatten zu kämpfen mit Dürre, Flut und Epidemien. Es gab Kriege um knappe Ressourcen.
Auch die Frage, was wird, wenn der Mensch die Schöpfung zerstört, haben sie sich schon gestellt. Die Menschen damals haben nachgedacht, und sie haben ihre Erkenntnisse in Geschichten überliefert. Drei solcher biblischer Geschichten möchte ich heute anschauen.

Die Flut
Die erste Geschichte erzählt vom jungen Moses: Der Pharao hat Angst vor dem Volk der Hebräer. Es gab eine Hungersnot damals. So sind viele Flüchtlinge nach Ägypten gekommen, wo es wegen des Nils genug Nahrung gab. Auch die Hebräer kamen so nach Ägypten. Und es wurden immer mehr. Der Pharao fühlt sich bedroht und befiehlt den Hebammen, dass alle Kinder der Hebräer, wenn es Buben sind, nach der Geburt getötet werden sollen. Die Hebammen weigern sich. Da befiehlt der Pharao seinen Leuten, die Knaben in den Nil zu werfen.

Auch Moses ist ein solches Kind. Die Mutter will ihn retten und setzt ihn in einem Kästchen auf dem Nil aus. Die Schwester von Moses, Mirjam, wartet am Ufer. Sie will sehen, wie es ihm geht. Da kommt die Tochter des Pharao an den Fluss, um zu baden. Sie sieht das Kästchen und lässt es holen. Als man es öffnet, sieht sie ein weinendes Kind. Dann heisst es: „Da hatte sie Mitleid mit ihm“.

Mirjam nähert sich der Prinzessin und fragt, ob sie ihr eine Amme besorgen soll. Sie darf, und so holt Mirjam die Mutter von Moses. Sie erhält das Kind zurück und muss keine Angst mehr haben. Sie erhält sogar einen Lohn für das Stillen. Und als Moses gross ist, nimmt ihn die Prinzessin zu sich. Sie nimmt ihn als Sohn an und nennt ihn „Moses“, d.h. „den aus dem Wasser Gezogenen“.

Die Menschen in dieser Geschichte sind nicht einfach nur gut oder schlecht. Sie tun beides: zerstören und retten. Und wenn die Zerstörung in Gang kommt, so sind die Menschen nicht wehrlos. Und die Haltungen, die sie entwickeln, wie Solidarität und Mitleid sind nicht nutzlos. Sie bringen die Rettung in Gang.

Im Hintergrund steht der Strom. Er scheint den Tod zu bringen. Aber er bringt auch das Leben. Der Pharao will die Kinder im Nil ertränken, die Mutter setzt es auf dem Strom aus und rettet es so. Und da sind Menschen, die helfen. Sie verweigern den Gehorsam wie die mutigen Hebammen, sie stehen dem Schwachen bei, wie die Schwester Mirjam, die zur Prinzessin geht und ihr eine Amme anbietet. Und selbst die Tochter des Königs muss beitragen, dass das gerettet wird, was er zerstören wollte.

Warum wollte er es zerstören? Aus Angst vor dem Volk, das eingewandert war und das ihm zu mächtig wurde.

Hier ist etwas, das stärker ist als die Angst. Das sind Mitleid, Vertrauen, Solidarität und sich gegenseitig beizustehen! – Das hat die Menschen damals gerettet. – Das ist eine Geschichte aus dem Altertum, die uns auch heute helfen kann in den Herausforderungen unserer Zeit.

Die Dürre
Moses – als er erwachsen ist – wird zum Anführer der Hebräer. Er führt sie aus Ägypten hinaus, wo sie unterdrückt und versklavt werden. Anfangs gehen sie gern mit ihm. Aber als sie in die Wüste kommen, als es heiss wird, als sie nichts zu trinken haben, da revoltieren sie und sehnen sich zurück nach Ägypten.

Moses betet zu Gott: „Warum hast du uns aus Ägypten gerettet, wenn wir jetzt umkommen in der Wüste?“ Gott antwortet ihm: „Geh zum Felsen am Berg Horeb (das ist der Berg, wo Moses Gott begegnet ist). Schlage mit dem Stab auf den Felsen, so wird Wasser hervor strömen.“ Moses tut so, und das Volk wird gerettet. Dann heisst es: „Und man nannte den Ort Massa und Meriba“, d.h. Versuchung und Hader, „weil das Volk gehadert und Gott versucht hatte, indem es sprach: ist Gott in unserer Mitte oder nicht?“ (Ex 17, 7)

Hadern, das ist die Unzufriedenheit mit dem Weg, wenn es schwierig wird. Versuchung, das ist der Zweifel und die Verzweiflung, ob Gott da ist und uns begleitet, oder ob unser Weg ins Leere geht.

Aber da ist eine Quelle. Dort finden wir Orientierung. Dort können wir unser Vertrauen wieder finden, dass Gott da ist, mit uns auf dem Weg, und dass wir finden, was wir brauchen.

Die Kinder
Die dritte Geschichte handelt von Josua. Vierzig Jahre sind vergangen. Das Volk ist immer noch in der Wüste. Jetzt stehen sie am Fluss Jordan. Es ist die Grenze zum „Gelobten Land“. Es ist eine andere Generation. Die Auswanderer-Generation ist gestorben, auch Moses. Wer führt sie jetzt in die Zukunft?

Gibt es überhaupt eine Zukunft für die nächste Generation?

Die Bibel erzählt:
„Nachdem Mose gestorben war, sprach der Herr zu Josua: Mein Knecht Mose ist gestorben; so mach dich nun auf und zieh über den Jordan, du und dies ganze Volk, in das Land, das ich ihnen geben werde. Wie ich mit Mose gewesen bin, so will ich auch mit dir sein. Ich will dich nicht verlassen noch von dir weichen. Sei getrost und unverzagt; denn du sollst diesem Volk das Land austeilen, das ich ihnen zum Erbe geben will.(Josua 1,1ff)

Heute
Auch heute gibt es Menschen, die zweifeln, ob wir die ökologischen Probleme noch in den Griff kriegen können. Die drei Geschichten aus der Bibel zeigen uns: Ökologische Probleme gab es schon damals. Schon damals kannten die Menschen diese Angst, dass sie die Schöpfung aus eigener Schuld zerstören. Sie haben uns ihre Erfahrungen in der Bibel überliefert. Darin sieht man ihre Not, aber auch ihr Vertrauen und ihren Mut. Der Weg, der sie weiterführte, ist das Vertrauen in Gott.

Auch heute gibt es auf unserem Weg ein „Massa und Meriba“, eine Station, wo wir hadern und zweifeln, ob Gott noch mit uns ist, oder ob unser Weg ins Leere führt.
Auch heute gibt es Mächte, die die Zerstörung vorantreiben. Aber auch Menschen, wie die Hebammen damals und Mirjam, die Mut zeigen und Solidarität. Das ist nicht nutzlos. Die Schwachen sind nicht wehrlos. Ihre Stärke, das ist das Interesse füreinander, die Anteilnahme, das Mitleid und das gegenseitige sich beistehen.

Auch für unsere Kinder gilt die Zusage, die Gott den Vorfahren gegeben hat, dass er ein „gelobtes Land“ für sie bereithält. Dort darf das Leben blühen. Auch heute noch gilt der Segen, den Gott Josua gegeben hat und mit ihm allen kommenden Generationen:

„So spricht Gott: Mache dich auf und zieh über den Jordan. Ich will mit dir sein. Ich will dich nicht verlassen noch von dir weichen. Sei getrost und unverzagt, dass du gehst auf dem Weg, den ich dir gezeigt habe.“ Amen

 

Aus einem Gottesdienst