Stammeln von Gott

Heute hatte ich Lust, wieder mal die «Bekenntnisse» von Augustinus hervorzuholen und darin zu lesen. „Was soll all dies Reden, Gott? Kann denn ein Mensch Worte finden, die Deiner würdig wären? Aber wehe denen, die von Dir schweigen.“ Es ist paradox: Von Gott reden ist nicht möglich. Es erreicht ihn nicht. Von ihm schweigen ist aber auch nicht möglich. Auch das heisst, sein Leben zu verfehlen, wenn man es für sich halten wollte!

Das Paradox kann aber auch eine Hilfe sein: Weil reden nicht möglich ist, ist auch das Stammeln erlaubt. Und der, der nur stammelt, darf der Aufgabe nachgehen, die ihm auferlegt ist.

Innere Sehnsucht und äussere Antwort
Der Übersetzer fügt einen Kommentar bei von Adolf von Harnack: „Zur vollkommenen Religion, die im Lobpreis Gottes besteht, gelangt der Mensch durch das Zusammenwirken zweier Faktoren: eines seelischen und eines geschichtlichen, nämlich der anerschaffenen Richtung des Herzens auf Gott zu und der glaubenerweckenden Verkündigung.“

Glauben schützen?
Das ist neu für mich: die Verkündigung mit dem Ziel, Glauben zu erwecken. Nicht verharren in der Genügsamkeit, dass Gott die Seinen schon zu finden wisse. Nicht nur das Kostbare vor denen schützen, die es in den Schmutz reissen. Nicht nur eine Schatz-Suche und ein Horten für eine unbekannte Zeit, die vielleicht nie kommt.

Oder kommt sie? – Jedenfalls habe ich keine Vorstellung, wie sie je kommt und wie die berufliche Stelle je beschaffen sein könnte, dass ich das aussprechen kann, was mich zutiefst bewegt und mich seit Jahren beschäftigt.

Ob die Zeit für mich gekommen ist? Weil ich selber einen Weg gemacht habe im Glauben? Weil ich mir nicht mehr eine Rückzugsposition freihalte zu einem Leben ohne Glauben? Weil das meine Entscheidung geworden ist, die ich nicht mehr umkehren kann, ausser ich verwerfe mein ganzes Leben?

Glauben wecken
Das Wort „Erweckung“ hätte mich früher abgeschreckt. Heute fallen mir dazu Erlebnisse ein mit Kranken, Sterbenden, in der Seelsorge. Momente von grosser Ruhe, grossem Frieden. Da ist nichts von Enge, viel von Weite. Nichts von Eifern, viel von Ruhe. Es gibt verschiedene Formen von Erweckung.

Bin ich nicht selber so zum Glauben gekommen? Neben den inneren Bildern gab es doch auch die Anstösse von aussen? (Es gab mindestens den Satz meiner Mutter, wenn ich von zuhause fort ging: „Heb‘ Gott vor Auge!“) Soll ich das denen schuldig bleiben, die mir als Pfarrer anvertraut sind? Soll ich Gott verstecken wie einen Schatz, über dem ein Drache haust – der Drache der Angst, verlacht und verletzt zu werden?

Von Gott reden ist nicht möglich, sagt Augustinus. Von ihm schweigen auch nicht. Auch das heisst, sein Leben zu verfehlen, wenn man es für sich halten wollte! Das Paradox kann aber auch eine Hilfe sein: Weil reden nicht möglich ist, ist auch das Stammeln erlaubt. Auch der, der nur stammeln kann, darf der Aufgabe nachgehen, die ihm auferlegt ist.

In diesen Tagen begleitet mich der Psalm: «Ich will den Herrn loben, solange ich lebe, und meinem Gott singen, solange ich bin.» (Ps 146)

 

Aus Notizen 2006
Foto von Sippakorn Yamkasikorn, pexels