Eine gesellschaftliche Kraft

Vertrauen ist nicht nur eine passive Haltung, in der das Subjekt auf eine „gute“ Wirklichkeit reagiert, es ist eine aktive Haltung und eine soziale Dynamik, die die Interaktion der Menschen verändert. Im Glauben geht es nicht nur um eine individuelle Haltung.

Es ist eine soziale Wechselwirkung. Sie kann zu grosser Wirkung anwachsen. Sie wirkt ansteckend wie der Sauerteig. Sie hat so viele Multiplikatoren, wie es Menschen gibt. Und diese gibt es, solange die Menschheit dauert. Es ist ein Menschheits-Konzept. Es zielt auf das Reich Gottes.

Selbstverstärkung
Beim Gläubig-Werden, beim Vertrauen-Lernen, geht es nicht nur darum, eine frühkindlich fehlgeschlagene Sozialisation zu korrigieren und das „Urvertrauen“ wieder zu lernen, das damals nicht angeeignet werden konnte. Es hat eine soziale Dimension. Nicht nur weil dieses Individuum mit anderen Menschen interagiert. Der Multiplikator ist viel grösser, es geht um „Kirche“ und „Reich Gottes“, es hat eine Dimension, die auf die ganze Gesellschaft ausstrahlt und das Zusammenleben der Menschen überhaupt betrifft und statuiert: Es ist in Frieden möglich!

Friede wird
Vertrauen ist nicht nur die Quittung auf ein friedvolles Zusammenleben, das schon besteht; es kann auch im Krieg anfangen und Frieden schaffen. Das gilt auch für das Individuum, das Glauben und Vertrauen in der Kindheit nicht gelernt hat: Vertrauen ist nicht nur ein Wagnis, das man eingehen kann, wenn Welt und Wirklichkeit angemessen „sicher“ sind. Das sind sie nie, weil Sicherheit ein anderes Konzept ist und der Logik der Angst folgt. Mitten im Chaos kann man vertrauen und einen Anfang setzen. Und es ist dann wie ein „Es werde!“, durch das Gott die Welt ins Leben setzt. So ist Gott als Kind in eine friedlose Welt gekommen. Und Friede wird, wo Menschen auf ihn vertrauen.

Wenn Angst, Hass und Aggression sich immer weiter aufschaukeln, so gilt das auch für das Vertrauen. Es ist ansteckend, es kann eine Gruppe und Gesellschaft wieder zur Ruhe bringen und Prozesse des Friedens einleiten.

 

Aus Notizen 1988
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