Er ist schon da!

Gott kann sich ein Volk aus Steinen erwecken, sagt Johannes der Täufer. Kann er sich auch eine Kirche erwecken – aus den Trümmern einer alten Christenheit?

Bricht der Glaube heute ab?
Bricht der Glaube heute ab? Ist das Christentum am Ende? – Es gibt wohl viel mehr suchende Menschen, als gedacht. Bei diesen kann man ansetzen, nicht bei denen, die fortgehen und bei ihrem Überdruss. Jesus Christus ist anonym schon da, er „schläft“, muss nur erweckt werden.

Das Bild von der Überfahrt im Schiff lässt sich auch hier anwenden: Das Schiff der Kirche ist auf der Überfahrt zum andern Ufer. Christus ist im Boot und schläft. Da kommt ein Sturm auf. Die Passagiere wecken ihn und machen ihm Vorwürfe: Kümmert es dich nicht, dass wir untergehen?! Steh auf und hilf! Christus steht auf, er beruhigt den Sturm und sagt: Habt ihr noch keinen Glauben? (Mk 4,35ff).

Das bedeutet für die Verkündigung: Ich muss Christus nicht zu den Menschen bringen. Er ist in den Menschen und in der Situation schon da. Ich kann ihn anrufen, «wecken»: Steh auf und hilf!

Die Steh-Auf-Psalmen, die hier zitiert werden, richten sich an Gott im Stil der antiken Rituale. Es sind aber Erweckungspsalmen für den eigenen Glauben, denn Gott ist schon da. Nicht Gott wird erweckt, sondern der Mensch in seinem Glauben.

Die Überfahrts-Geschichte meint erkenntnistheoretisch den Übergang von einer Weltdeutung in eine andere. Sie gehört zur «Erweckungspredigt».
Der Ansatz ist aber nicht „objektiv“. Er ist ohne Argumente, die sich an den Intellekt wenden, er ist ohne Welterklärung. Der Ansatz ist bei den Intuitionen, die die Menschen schon in sich tragen. Sie wissen es schon, es ist ihnen nur nicht bewusst.

„Da ist deine Situation. Du bist auf dem Schiff, du hast das Land verlassen und da ist ein Sturm. Du hast deine Lage nicht im Griff (das ist immer so, aber in der Sicherheit des Landdaseins bildest du dir das ein).

Und es fällt dir ein, dass das nicht richtig ist, wenn du hier zugrunde gehst. Leben meint Leben, nicht Tod. Da ist etwas Fundamentales an der Welt nicht in Ordnung. Und du rufst die Wirklichkeit selber an zum Zeugen.

Du richtest dir ein „Du“ auf im Gegenüber der Welt. Auch im Dunkel des Sturmes, und gerade dort, siehst du es. Und die Vorwürfe brechen heraus. Es ist nicht richtig! Hilf!
Ist Er nicht schuldig, Dir zu helfen? Hat Er dir nicht das Leben gegeben?

Und tatsächlich, es hilft. Er hört, Er gibt Antwort, Er hilft.
Du glaubst und glaubst nicht. Herr, ich glaube, hilf meinem Unglauben.

Fusionieren oder gründen?
Soll man die Kirche fusionieren oder gründen? Die Verwaltung denkt von oben her: „Da ist ein Struktur-Abbruch, da muss man verbinden, fusionieren, rationalisieren, sich nach der Decke strecken.“

Der Glaube denkt von unten her: Da ist ein ganz normaler Unglaube, der sich nicht vom Unglauben der Leute zur Zeit Jesu unterscheidet. Darum gilt seine Antwort auch heute noch. Da „bricht“ nichts „ab“, denn der Glaube kommt nicht aus der Welt. Da wird etwas verkündet, was die Welt nicht weiss.

Er ist schon da, sie haben eine Ahnung in ihren Intuitionen. Wenn man dort anknüpft, kommt das „Aha!“ Dort lässt sich der Glaube wecken. Und Christus steht auf, auch heute noch! Egal wie leer die Welt von Christen ist. Auch wenn die Tradition ganz „abgebrochen“ ist, hier geschieht die Schöpfung aus nichts. Und der erste Christ entsteht. Und mit ihm eine ganze Kirche.

 

Aus Notizen 2013