Gottes Stimme

«Wer aus Gott ist hört Gottes Wort», so steht es unter der Kanzel. An Pfingsten sind wir bei einer Wanderung daran vorbeigekommen. Die Versuchung ist, das auf die Situation der Kirche anzuwenden und sie von daher zu deuten: Wer dabei ist, das hat seinen Grund, und wer nicht in der Kirche ist – der ist nicht aus Gott. So kann man sich einrichten in der Randständigkeit und Bedeutungslosigkeit.

Ich höre aus dieser Stelle:

In uns ist die Fähigkeit, Gottes Stimme zu hören!

Das stammt nicht aus uns, sondern von Gott.

Gott ist tiefer in uns verankert, als uns im Alltag bewusst ist.

Aber in Momenten sind wir berührbar, ansprechbar,

wir verstehen und geben Antwort.

Ausschliessen und einschliessen
Der Satz unter der Kanzel bezieht sich auf Joh 8,47: «Wer von Gott ist, der hört Gottes Worte; ihr hört darum nicht, weil ihr nicht von Gott seid.» Da scheint es wirklich welche zu geben, die dazu gehören und andere, die draussen bleiben. Wie kann ich sicher sein, dazuzugehören? Wie kann ich mich dazuzählen?

Das habe ich gelernt, dass ich das Ausscheiden, Abtrennen, Nicht-Dazugehören in mir selber trage. Und das habe ich vom Evangelium gelernt, dass ich dazu gehöre, was immer ich an Zweifel und Verzweiflung in mir trage. «Kommt her, alle, die ihr mühselig und beladen seid, ich will euch erquicken!» (Mt 11,28) Das Angebot ist universell. Das Leid ist ausschliessend. Gewalt zerreisst den Zusammenhang.

«Der Menschensohn ist gekommen, um das Verlorene zu suchen und zu retten.» (Lk 19,10) So sind noch viele Stellen, die ich mir früher vorgebetet habe, wenn ich mich für verloren halten wollte. Ohne diese Unterstellung, dazu zu gehören, Anteil zu haben am Leben und an Gerechtigkeit, kann eine gesunde Identität gar nicht gelebt und aufrechterhalten werden. Es ist eine «Bedingung der Möglichkeit» für Leben und Handeln und damit auch für das Verständnis der Bibel. Und Streitigkeiten unter den Religionen und Konfessionen können nie so weit gehen, dass man «den andern» aus der Heilszusage ausschliesst.

Sie hören meine Stimme!
Als Jesus im Tempel war, umringten sie ihn: «Wie lange hältst du uns im Ungewissen? Bist du der Messias, so sage es frei heraus.» «Ich habe es gesagt und ihr glaubt nicht», erwidert Christus. Wieder kann ich den abwehrenden Sinn hören: Dort sind die Ungläubigen, hier die Gläubigen. Lieber höre ich die Zusage, die darin liegt:

«Meine Schafe hören meine Stimme, und ich kenne sie und sie folgen mir; und ich gebe ihnen das ewige Leben, und sie werden nimmermehr umkommen, und niemand wird sie aus meiner Hand reissen.» (Joh 10,23ff)

Und wieder staune ich:

In uns ist die Fähigkeit, Gottes Stimme zu hören!
Das stammt nicht aus uns, sondern von Gott.
Gott ist tiefer in uns verankert, als uns im Alltag bewusst ist.
Aber in Momenten sind wir berührbar, ansprechbar,
wir verstehen und geben Antwort.

So möchte ich meinen Weg weiter gehen und darauf achten. Als wir die Kirche verlassen öffnet sich der Weg, ein wunderschöner See liegt vor uns.

 

Bild: Kanzel der katholischen Kirche Euthal bei Einsiedeln