Weihnachtsgeschichte für Atheisten

Es gibt Atheisten, die sagen: Es gibt keinen Gott. Im Himmel war einmal ein Streit um die Frage: gibt es den Menschen? Schaut euch doch um in der Welt, meinten einzelne Engel. Soviel Krieg und Unrecht! So viel Prasserei und Prunksucht, und auf der andern Seite Hunger und Armut! Ist das human? Wo ist da der Mensch?

 

Aber nein, sagten die andern Engel, es gibt den Menschen, wir wissen es.
Schaut euch die Familien an, entgegneten die ersten, wie viel Einsame! Die Arbeitsplätze – wie viel Ausgespuckte und Niedergetrampelte! Nein, wenn es Menschen gäbe, sähe es anders aus auf der Welt! So ging der Streit hin und her.

Es gibt den Menschen, aber man sieht es nicht, meinten die Verteidiger. Der Mensch ist verletzt, er kann nicht handeln wie er soll! Er ist gekränkt, behindert, aus seiner Bahn geworfen. So viel Unrecht erlebt er, gedankenlose Quälerei schon von Kind auf. Er wird ausgenützt, verfolgt, gedemütigt. So wird er stumpf oder er schlägt zurück und verheddert sich immer weiter in Schuld und Scham. Wie kann da Friede werden?

So ging der Streit hin und her; er blieb unentschieden. Schliesslich brachten die Engel ihn vor Gott. Gott, sagten die Engel, viele Menschen zweifeln an Dir. Und es gibt sogar Atheisten, die sagen: Es gibt keinen Gott. Wir Engel sind aber uneins: ob es den Menschen gibt?

Es gibt den Menschen, sagte Gott. Und wenn es noch so viele Atheisten gäbe, ich glaube an die Menschen. Nur: sie können nicht handeln wie sie sollen. Immer wieder landen sie im alten Fahrwasser. Sie haben Angst und das lähmt sie. Die Hand, die schon ausgestreckt ist, bleibt in der Luft stehen. Das Wort, das schon auf der Zunge liegt, bleibt unausgesprochen. Oder ein anderes bricht sich Bahn. Sie tun, was sie nicht wollen. Das Dunkle, das sie erlebt haben, soll nicht noch einmal wiederkommen. Aus Angst möchten sie alles kontrollieren und ersticken es im Zwang. So kann nicht Friede werden.

Ich werde zu ihnen kommen, wehrlos wie ein Kind. Ich lehre sie vertrauen. Es gibt nichts Stärkeres. Dem Bösen werde ich nicht widerstehen. Schlägt mich einer auf die linke Wange, so halte ich ihm auch die rechte hin. Will er mir das Kleid nehmen, so überlasse ich ihm auch den Mantel. Nötigt er mich, mit ihm eine Meile zu gehen – ich gehe mit ihm zwei.

In der dunkelsten Nacht werde ich zu ihnen kommen. Und diese Nacht wird für sie geheiligt. Dann wissen sie: wenn immer es dunkel wird in ihrem Leben – das ist die Nacht, in der ich bei ihnen bin und ihre Rettung beginnt.

So sprach Gott. Der Streit war entschieden: Es gibt Menschen. Und Gott glaubt an sie. Und die Hirten hielten in der Nacht Wache auf dem Feld. Und ein Engel erschien ihnen und sprach: „Fürchtet euch nicht, denn siehe, ich verkündige euch grosse Freude, die allem Volke widerfahren wird. Denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher der Christus ist, der Herr.“ Und der Himmel ging auf, und Glanz brach hervor. Und da war die Menge der Engel. Die lobten Gott und sprachen: „Ehre sei Gott in der Höhe und Friede den Menschen auf Erden, weil sie Gott wohlgefallen.“

 

Aus Notizen 2014
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