Katastrophen – jetzt sind sie da!

„Die Phase ist vorbei, in der wir auf lange angekündigte Katastrophen starrten und gelähmt waren. Jetzt sind sie da, die Ereignisse. Es ist nicht der Weltuntergang, der totale Zusammenbruch, den die Angst sich vielleicht ausmalte, aber es sind doch Krisen, Schadensereignisse, Umwälzungen, wo etwas Altes zu Ende geht und etwas Neues beginnt, dessen Ende wir nicht absehen.“

So schrieb ich in einem Text 2008, und weiter:

An „Naturkatastrophen“ wie Überschwemmungen, Dürre, Brände haben wir uns fast gewöhnt. Weniger beachtet sind die sozialen Katastrophen. In Asien und Afrika lässt sich beobachten, wie ganze Staaten an ihrer Aufgabe scheitern und Strukturen zusammenbrechen. Das führt zu Gewaltexzessen, Flüchtlingsströmen, Hunger und Massenelend. Es bilden sich bewaffnete Banden, die die Unruhe über die Grenze tragen und das internationale Zusammenleben destabilisieren.

Nicht nur in der Natur und im sozialen Zusammenleben stösst die Entwicklung auf Grenzen, auch innere, psychische Strukturen können nachgeben, weil Menschen den dauernden Druck nicht aushalten.

Die Welt geht nicht unter, aber Entwicklungen zeigen Folgen. In Erwartung von solchen Folgen haben die Verantwortungsträger schon vieles vorbereitet. Sicherheitssysteme wurden angepasst, der Katastrophenschutz neu geordnet. Risiko-Management gehört zu jeder wirtschaftlichen Unternehmung. Sogar eine Not- und Katastrophen-Seelsorge wurde aufgebaut.

Die Warner haben manchmal übertrieben. Und Katastrophenfilme haben Schreckensbilder an die Wand gemalt. Die grosse Katastrophe ist nicht eingetroffen. Aber es ist ernst genug. Und es ist die Frage, wie wir damit umgehen.

Die Angst um die Zukunft und die Befürchtung, auf der Verliererseite zu stehen, nehmen den Menschen die Perspektive weg. Der Spielraum wird enger. Feindbilder führen zu Hass und verdüstern das gesellschaftliche Zusammenleben. Die politische Auseinandersetzung wird gehässig.

Aber die Ereignisse wecken auch Gegenkräfte. Ich erinnere mich an eine Überschwemmung am Thunersee. – Was löste sie bei den Menschen aus? Sie holten die Stiefel hervor und halfen. Die Distanz, die sonst zwischen Menschen herrscht, war weg. Das Misstrauen war weggeblasen von dem offensichtlichen Beweis der gegenseitigen Hilfsbereitschaft. Alle waren getragen von einem fast euphorischen Gefühl. Weil hier etwas erlebt wurde, was als Bild und Sehnsucht tief in uns angelegt ist: dass wir eine Gemeinschaft sind und nicht nur jeder für sich lebt. Dass wir unser eigenes Leben finden, indem wir – einer für den andern – einstehen.

Das zu erleben war ein Stück Glück, in seltsamem Kontrast zur äusseren Not, die über das Dorf hereingebrochen war. Es ist eine Erfahrung, die Mut macht für die Zukunft.

Katastrophen stellen uns vor grosse Herausforderungen. Aber sie wecken auch Gegenkräfte. Lesen Sie auf diesem Blog die Texte «Katastrophen und Wendepunkte». Sie finden Sie unter «Streiflicht» in der Menu-Leiste.

 

Text aus Notizen 6. April 2008
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