Zu Jesus beten?

Christus hat uns eine Zusage gegeben, dass er unser Gebet erhören will. Das ist etwas, was wir vielleicht nicht jeden Tag brauchen im Leben. Aber in jedem Leben gibt es doch Tage, wo wir froh sind, das zu wissen: dass wir mit dem, was uns beschäftigt, vor Gott kommen können.

Jesus sagt seien Jüngern zu, dass er ihr Gebet erhören will. Sollen wir also zu Jesus Christus beten? – Warum nicht gleich zu Gott? –

Ist Jesus denn wie Gott?

Hier kommen viele Einwände. Viele Menschen sagen: „Ich glaube schon an etwas Höheres, aber nicht so, wie es in der Bibel steht.“ Oder: „Dieser Jesus macht mir Eindruck, aber er selber hat sich nie als Gott verstanden. Das ist eine Erfindung der späteren Theologen.“

Heute haben wir offenbar Schwierigkeiten mit dem, was viele Generationen vor uns getan haben: zu Jesus Christus beten.

Früher war das den Menschen geläufig, und das zeigt die Sprache heute noch: „Jesses!“ sagen wir in bestimmten Situationen. Es ist ein Stoss-Seufzer, dahinter verbirgt sich ein verkürztes Christus-Gebet. „Jesses!“ heisst „Jesus hilf!“ „Jesses Maria“ sagen andere, sie rufen Jesus und Maria an. „Jesses Gott“ ist ein anderer Stoss-Seufzer, ein Gebet zu Jesus. In einer schwierigen Situation rutscht es uns einfach heraus. Aber mit dem Kopf haben wir heute offenbar Mühe.

Bevor wir Jesus kennenlernen, haben wir schon andere Zugänge zum Glauben. Das ist dem Menschen wie angeboren, das findet er in sich selber. Wir richten uns mit unserem ganzen Leben auf ein „DU“ aus. Erst sind es Menschen, die die Stelle dieses „Du“ einnehmen. Für das Kind sind es die Eltern. In Beziehung auf sie wachsen wir und werden wir die Menschen, die wir sind. Dann ist es der Partner, die Partnerin. In der Liebe erfahren wir ganz neue Dimensionen dieses „Du“.

Immer deutlicher wird aber, je älter wir werden, dass in diesem „Du“ immer auch noch ein anderer mitgemeint ist, der hinter allem steht, Gott. Und es macht den gläubigen Menschen wohl aus, dass er in dieser Beziehung lebt, zu diesem Du. So versteht er sich selbst. Vor ihn kommt er täglich im Gebet, er dankt und bittet und findet so den Weg für seinen Tag.

So findet der Mensch aus sich selbst heraus zur Religion. Er braucht keine Offenbarung. Aber auf diesem Weg kann man sich auch verirren. Und wer nur auf sich hört, auf sein Inneres, der kann in die Irre gehen. Das sieht man an vielen religiösen Praktiken auf der ganzen Welt. Da gibt es Menschen, die sich quälen, die sich schlagen, die sich bis auf Blut schinden, weil sie ein schlechtes Gewissen haben und Gott mit sich versöhnen wollen. – Ich will nicht weiterfahren, es fallen Ihnen wohl viele Dinge ein, wozu ein fehlgeleiteter religiöser Glaube führen kann, wieviel Wahn, Unrecht und Gewalt damit oft verbunden ist.

Ich war im Leben oft froh, konnte ich in der Bibel lesen, wie ich mir Gott vorstellen darf. Im Neuen Testament lese ich von Jesus. Er geht durch Dörfer und Städte. Er bückt sich zu den Menschen. Er richtet sie auf. Er berührt den Aussätzigen, der von allen gemieden wird, und jetzt gehört er wieder dazu.

Und ich begreife das Wort „Evangelium“. Das ist die gute Botschaft. Gott ist nicht so, wie wir ihn uns immer wieder vorstellen. Er ist ein Gott, der verzeihen kann. Er ist ein Gott, der die Menschen sucht. Er ist ein Gott, der sie findet und heilt, der sie begleitet auf ihrem Weg und an ein Ziel bringt. Er ist – mit einem Wort – wie Jesus Christus. In ihm hat er sich offenbart. Ich lasse mir das gerne sagen, was ich aus mir allein nicht wissen kann.

Darum habe ich gelernt, zu Jesus Christus zu beten. Gerade in den dichtesten Momenten meines Lebens habe ich mich erinnert an diese Zusage: „Ruft mich an, so will ich euch erhören!“ „Ja, jetzt rufe ich – so bete ich dann – hilf mir!“ Und ich habe nie umsonst gerufen. Dass er uns erhört, das ist eine unerhörte Zusage, es ist ein Geschenk fürs Leben. Nicht immer brauchen wir es. Aber es gibt Momente, da sind wir unendlich dankbar, dass wir das haben.

«Er hat mein Gebet nicht abgewiesen und mir seine Güte nicht verweigert.» Ich danke Gott.

 

Aus Der Starke Gott, Notizen 2011
Foto von Jeffrey Czum von Pexels