Mit dem Knie glauben

Kann man mit dem Knie glauben? – Die Frage scheint absurd. Umgekehrt ist es aber so, dass der Unglaube durchaus im Körper sitzt. „Der Schreck ist mir in die Glieder gefahren“ sagt man, oder „die Angst sitzt mir im Nacken“. Das Herz setzt aus, die Glieder sind wie gelähmt.

Nicht glauben können, die Unfähigkeit zum Vertrauen, die Verzweiflung – das sitzt auch im Körper, in den Muskeln, die verspannt sind, im Atem, der stockt, das sitzt in den Knochen. Und von dort her prägt es immer wieder unsere Gefühle und unser Verhalten. So stellt sich wirklich die Frage: Kann ich mit dem Knie glauben lernen? Kann ich dem Nacken das Evangelium verkünden, dass die Angst dort loslässt?

Der Körper speichert Erfahrungen aus der Lebensgeschichte. Und er speichert auch die Reaktionen, die wir in bestimmten Momenten gefunden haben. So muss nur eine bestimmte Frage an uns herantreten, eine bestimmte Situation, und schon spulen diese Reaktions-Mechanismen ab. Und wir kommen zu spät, wenn wir bewusst darauf reagieren wollen. Die Situation ist schon entschieden.

 Die Haltung beim Aufwachen
Das beginnt schon am morgen früh, wenn wir aufwachen. Im Kopf haben wir vielleicht schon lange zum Glauben gefunden, aber der Körper speichert noch die alten Erfahrungen. Und bevor wir bewusst den Tag anfangen, mit Bibellektüre, oder was zu unserem persönlichen spirituellen Leben gehört, steigen die alten Gefühle schon aus dem Körper auf und bestimmen die Haltung, wie wir in den Tag gehen.

Diese Gefühle sind von Mensch zu Mensch verschieden. Ein glücklicher Mensch wird mit Gefühlen der Bejahung aufwachen. Es gibt andere, die so etwas wie ein „Nein“ in sich tragen. Sie fühlen sich schon abgelehnt, bevor sie den Tag beginnen und dem ersten Menschen begegnen.

Darum ist das auch ein sehr persönliches Thema: „Körper und Spiritualität“. Denn konkret wird es erst, wenn man sich der Realität seines Lebens stellt. Der Körper trägt in sich eine Erinnerung an die ganze Lebensgeschichte. Er erinnert uns mit seinen Empfindungen daran.

Den Keller aufräumen
Er mahnt uns damit auf eine unaufdringliche aber doch hartnäckige Art, unser Leben durchzuarbeiten. Denn wenn wir es nicht tun, stolpern wir immer wieder über die gleichen Erfahrungen. Es ist wie im Dunkeln durch einen Keller gehen: Wenn man den Keller nicht aufgeräumt hat, stösst man sich bei jedem Schritt.

Den Keller aufräumen, das Leben durcharbeiten – man könnte auch sagen: missionieren. Zwar ist unsre Landesgegend in der späten Antike durch das Christentum missioniert worden, aber manchmal denke ich, das Christentum ist noch nicht ganz bis zu mir gekommen. Mit dem Kopf habe ich es schon aufgenommen. Aber mit dem Körper noch nicht. Und es entsteht das Bild einer Mission, die auch durch den Körper geht. Damit ich später auch mit den Knie glauben kann; und der Nacken mir nicht immer wieder Streiche spielt. Dass der Körper mit seinen Erfahrungen mich unterstützt im Glauben, statt mich immer wieder auf andere Bahnen zu bringen.

 

Aus meinem Buch „Eros. Chaos. Kosmos. Die Sakramente.“