Abenteuer

„Alles Meinige trage ich bei mir“, sagte der Philosoph Diogenes, der in einem alten Fass hauste. Und er beeindruckte damit die Menschen der Antike. Er hat kein Eigentum als was er bei sich trägt. Er ist an keinen Ort gebunden. Er vertraut darauf, dass er an jedem Ort finden wird, was er braucht: Menschen, Zuwendung, etwas weniges zum Lebensunterhalt. Es ist ein Lebensgefühl, wie es Jugendliche wieder finden, wenn sie mit nichts als einem Rucksack als Gepäck auf Weltreise gehen. Es ist das Abenteuer der Freiheit.

Auch Erwachsene tun es zuweilen, in der Lebensmitte. Sie geben die Stelle auf, die Wohnung, den Freundeskreis und fahren auf unbestimmte Zeit ins Ausland. Sich so auszusetzen ist eine Erfahrung, die alle Daseinsangst überwinden kann. Denn es ist die Erfahrung, dass sich alles findet. Und noch jahrelang kann man Beruhigung finden bei der Erinnerung: Damals habe ich alles verloren, besser: ich habe alles aufgegeben, ich habe aus einem einzigen Koffer gelebt. Es war eine Zeit von Freiheit und Aufbruch. Und ich habe alles gefunden, was ich brauchte.

Pfingsten ist das Abenteuer der Freiheit, und die Entdeckung, dass sich alles findet. Es braucht das Sorgen gar nicht, das Festhalten. Das Nötige findet sich immer wieder, aber nicht unbedingt das Bequeme. Darum ist es Abenteuer. Und es ist eine grosse Befreiung, weil das Festhalten am Ort voller Ängste steckt. Das Leben lebt sich dann nicht aus einem „Ja“ zu dem was da ist und was mein Leben ausmacht, sondern aus einem „Nein“. Ich halte aus, weil ich sonst Angst hätte, allein zu sein und alles zu verlieren.

Freiheit heisst nicht, dass ich weggehen muss. Weggehen kann helfen, weil es Erfahrungen ermöglicht, die ich sonst nie mache. Ist die Freiheit mal gewonnen, kann ich aber auch bleiben. Nur der Freie, der auch gehen kann, ist auch wirklich gegenwärtig. Er ist da, aus freien Stücken. Er sagt Ja zu allem. Er wendet sich allem zu.

Die Freiheit hängt nicht am Fortgehen. Der Aufbruch geschieht im Geiste. Es geht um die Haltung, ob ich abhängig bin von äusseren Dingen, ob ich so mein Leben sichere, oder ob ich vertraue, dass mein Leben gehalten ist und dass alles Nötige sich findet. Letztlich ist es das Vertrauen in Gott, dass er da ist. Er ist Gegenwart. Und das meint das Fest von Pfingsten. Gott ist gegenwärtig im Heiligen Geist. Er ist ein lebendiger Gott.

Darum kann ich meinen Rucksack klein machen, wenn ich unterwegs bin auf meiner Lebensreise. Er ist da, und in jedem Augenblick kann ich den Rucksack aufmachen und finde das Lebensmittel, das ich brauche. Ich kann mich vor ihn stellen, mich aufmachen für seine Gegenwart, spüren dass er da ist. So finde ich Ruhe und Frieden. Es ist, als ob ich eine Mitte in mir selber trüge, ich muss nicht mehr allen möglichen Dingen nachrennen. Alles Meinige trage ich bei mir, wie Diogenes.

So möchte ich Pfingsten leben lernen, diese Freiheit riskieren, diese Freude wach halten, dass Er da ist und alles Nötige sich findet.
„Zur Freiheit hat uns Gott berufen“, sagt der Apostel Paulus, „lasst euch nicht wieder unter das Joch der Knechtschaft bringen“ (Gal 5,1 ff)